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Jesus-Visionen: Eine kritische Bewertung von Gerd Lüdemanns Halluzinationshypothese

Summary

Gerd Lüdemanns provokative Hypothese, der Auferstehungsglaube der ersten Christen sei das Produkt von durch Schuldkomplexe bei Petrus und Paulus ausgelösten Halluzinationen, wird von mir untersucht und mit der traditionellen Auferstehungshypothese verglichen, nach den für das Testen von Hypothesen üblichen Kriterien: Erklärungskraft, Erklärungsbereich, Plausibilität, Ad-hoc-Gehalt, Übereinstimmung mit allgemein anerkannten Annahmen und Überlegenheit gegenüber Alternativhypothesen.

„Visions of Jesus: A Critical Assessment of Gerd Lüdemann’s Hallucination Hypothesis” (Edwin Mellen Press.)

Gerd Lüdemann ist einer der prominentesten und schärfsten Kritiker der Historizität der Auferstehung Jesu. Nachdem sie in seiner Heimat, Deutschland, zu heftigsten Kontroversen geführt hatten, haben Lüdemanns Schriften jetzt den Sprung über den Atlantik in die USA geschafft, wo sie nicht weniger kontrovers sind. Seine Schlussfolgerungen sind nicht nur für den Neutestamentler, sondern auch für den Dogmatiker von Bedeutung. Als jemand, der schon früher die historische Glaubwürdigkeit der Auferstehung Jesu verteidigt hat, [1] möchte ich in diesem Artikel eine kritische Analyse von Lüdemanns Versuch einer historischen Rekonstruktion der Osterereignisse versuchen.

Bevor wir beginnen, sollte ich vielleicht erwähnen, dass es eine Reihe von dogmatischen Themen gibt, wo Lüdemann und ich übereinstimmen. Zunächst einmal stimme ich Lüdemann zu, wenn er schreibt: „Die Auferstehung Jesu ist Zentralpunkt der christlichen Religion.“ [2] Zweitens finde auch ich, dass dann, wenn jemand fragt: „Wie war das damals wirklich?“, es nicht ausreicht, ihm zu antworten: „Du musst nur fest daran glauben.“ [3] Drittens stimme ich zu, dass die Aufgabe des Historikers ganz ähnlich ist wie die eines Prozessanwalts; er versucht, aufgrund der Zeugenaussagen zur „Rekonstruktion eines wahrscheinlichen Geschehensablaufs“ zu kommen. [4] Viertens stimme ich zu, dass jemand, der nicht an die wörtliche Auferstehung Jesu glaubt, die Ehrlichkeit und den Mut haben sollte, zu sagen, dass Jesu Leichnam in dem Grab verwest ist, und dass man ihn nicht deswegen verfolgen sollte. [5] Fünftens finde auch ich, dass dann, wenn jemand nicht an die Auferstehung Jesu glaubt, er so ehrlich sein und sagen sollte, dass er kein Christ ist, wie Lüdemann dies auch getan hat. [6] Und siebtens stimme ich zu, dass dann, wenn jemand an die tatsächliche Auferstehung Jesu glaubt, er zugeben sollte, dass er glaubt, dass Gott durch ein Wunder in den normalen Lauf der Welt eingegriffen hat. [7]

Doch trotz dieser Übereinstimmungen gibt es ganz offensichtlich erhebliche Differenzen zwischen uns. Ich behaupte, dass eine angemessene historische Hypothese über die Auferstehung Jesu vier Tatsachen erklären muss: Jesu ehrenvolles Begräbnis, die Entdeckung seines leeren Grabes, seine Erscheinungen und den Ursprung des Glaubens der Jünger an die Auferstehung. Ich werde zunächst zu jedem dieser Punkte einige der Fakten und Indizien präsentieren und sodann untersuchen, wie Lüdemann mit ihnen umgeht.

Die induktive Faktenlage

Das Begräbnis

Fakt #1: Nach seiner Kreuzigung wurde Jesus von Josef von Arimathäa in ein Grab gelegt. Mit diesem Satz fasse ich den Kern der Begräbnisgeschichte zusammen. Sekundäre Details (wie die Tatsache, dass Josef ein Anhänger Jesu war) lasse ich beiseite, da sie für die Historizität des ehrenhaften Begräbnisses Jesu nicht wesentlich sind. Dass Jesus ein solches Begräbnis bekam (und nicht anonym irgendwo verscharrt wurde), ist hochsignifikant, weil wir daraus schließen können, dass die Grabstätte in Jerusalem bekannt war, was wiederum bedeutet, dass die Jünger wohl kaum die Auferstehung Jesu in der ganzen Stadt hätten verkünden können, wenn das Grab nicht leer gewesen wäre.

Einige der Indizien, die Fakt 1# stützen, sind die folgenden:

  1. Jesu Begräbnis wird in der sehr alten Bekenntnisformel, die Paulus in 1. Korinther 15,3-5 zitiert, erwähnt.
  2. Es wird in sehr frühen Quellen erwähnt, die Markus beim Schreiben seines Evangeliums benutzte.
  3. Als Mitglied des Sanhedrin (Hohen Rates), der Jesus verurteilte, kann Josef von Arimathäa wohl kaum eine Erfindung der Christen sein.
  4. Die Begräbnisgeschichte zeigt keinerlei Spuren von Legendenbildung.
  5. Es gibt keine andere Geschichte von dem Begräbnis Jesu.

Was das erste Indiz betrifft, so wissen wir, dass das Begräbnis Jesu in dem zweiten Teil der vorpaulinischen Bekenntnisformel in 1. Korinther 15,3-5 erwähnt wird. Lüdemann erkennt dies auch an, bezweifelt jedoch, ob das hier erwähnte Begräbnis dasselbe ist wie das durch Josef von Arimathäa. [8] Ein Vergleich der Bekenntnisformel in 1. Korinther 15 mit den Berichten in den Evangelien und den Predigten in der Apostelgeschichte macht die Antwort klar: [9]

Diese erstaunliche Übereinstimmung voneinander unabhängiger Überlieferungen ist der schlagende Beweis dafür, dass die vierteilige Bekenntnisformel eine Zusammenfassung der wesentlichen Ereignisse der Passion und Auferstehung Jesu ist, einschließlich der Beisetzung in dem Grab. Lüdemann glaubt, dass die Formel bereits ganze zwei Jahre nach der Kreuzigung entstand. [10] Sie ist mithin ein außerordentlich früher Hinweis auf das ehrenvolle Begräbnis Jesu.

Was das zweite Indiz betrifft, gehe ich davon aus, dass Markus eine frühere Passionsgeschichte verwendete, zu der auch die Begräbnisgeschichte gehörte. Diese letztere Behauptung dürfte relativ unumstritten sein, da das Begräbnis ein wesentlicher Teil der Passionsgeschichte ist, der sich in allen Evangelien findet und die Passionsgeschichte zu ihrem Abschluss bringt. Selbst wenn wir nicht von einer voll entwickelten vormarkianischen Passionsgeschichte ausgehen, müssen wir doch im Lichte der Unabhängigkeit des Johannesevangeliums von den Synoptikern eine vor Markus liegende Überlieferung der Grablegung Jesu durch Josef von Arimathäa annehmen. [11] Und selbst bei den Synoptikern legen die sporadischen und nur ungefähren Formulierungsübereinstimmungen von Lukas und Matthäus mit Markus, ferner das, was sie von Markus auslassen, sowie ihre zahlreichen übereinstimmenden Abweichungen von Markus es nahe, dass der Bericht des Markus nicht ihre einzige Quelle war, sondern dass ihnen für die Berichte über die Grablegung und das leere Grab weitere Quellen zur Verfügung standen. [12] Dass es so viele unabhängig voneinander existierende Quellen gibt, ist wichtig, denn, wie Marcus Borg erklärt: „Wenn eine Überlieferung in einer frühen Quelle und in einer anderen, eigenständigen Quelle erscheint, dann ist sie nicht nur früh, sondern sehr wahrscheinlich auch nicht erfunden.“ [13] Es ist bemerkenswert, dass wir es bei dem Begräbnis Jesu mit einigen der ältesten hinter dem Neuen Testament stehenden Quellen zu tun haben (z.B. der vorpaulinischen Bekenntnisformel und der vormarkianischen Passionsgeschichte) sowie mit mehreren anderen Quellen.

Beim dritten Indiz geht es um die geheimnisvolle Person des Josef von Arimathäa, der plötzlich auf die Bühne tritt, um für ein ehrenvolles Begräbnis Jesu zu sorgen (im Gegensatz zu den beiden mit ihm gekreuzigten Verbrechern). Raymond Brown schreibt in seinem maßgebenden Werk The Death of the Messiah:

Dass das Begräbnis tatsächlich von Josef von Arimathäa vorgenommen wurde, ist sehr wahrscheinlich, da es angesichts der in manchen frühchristlichen Schriften zum Ausdruck kommenden Feindseligkeit gegenüber der für den Tod Jesu verantwortlichen jüdischen Obrigkeit schier unvorstellbar ist, dass ein christlicher Autor aus dem Nichts ein Sanhedrin-Mitglied hervorgezaubert hätte, das das tat, was recht war … Eine hohe Wahrscheinlichkeit ist sicher nicht dasselbe wie Gewissheit, aber wir finden in dem Bericht über das Begräbnis Jesu durch Josef, wie er später in die Evangelien einging, nichts, das man nicht plausibel als historisch bezeichnen könnte. [14]

Angesichts seiner Mitgliedschaft im Sanhedrin (Hohen Rat), der Jesus, wie Markus berichtet, einhellig zum Tod verurteilte, ist Josef der Letzte, von dem man erwartet hätte, dass er dem toten Jesus diese Ehre erweisen würde. Und die historische Glaubwürdigkeit seiner Person steigt noch, bedenkt man, dass er aus Arimathäa kam, einer obskuren Stadt ohne jede theologische oder historische Bedeutung. Dieses dritte Indiz ist in gewissem Sinne ein Beispiel für das Kriterium der Unähnlichkeit: Die Person des Josef passt überhaupt nicht zu der in der frühen Kirche vorherrschenden Einstellung gegenüber dem Hohen Rat, der doch in ihren Augen den Justizmord an Jesus eingefädelt hatte, was eine Erfindung des Josef durch die ersten Christen sehr unwahrscheinlich macht.

Das vierte Indiz für die Historizität der von Markus überlieferten Begräbnisgeschichte ist das Fehlen jeglicher Spuren von Legendenbildung. Der ganze Bericht ist denkbar prosaisch und entbehrt jeder theologischen Reflexion – ein krasser Gegensatz zu dem, was man von chronologisch späten, legendenartig ausgeschmückten Berichten (wie dem apokryphen Petrusevangelium) erwarten würde. Angesichts des hohen Alters der vormarkianischen Passionsgeschichte ist es nicht plausibel, den Bericht bei Markus als unhistorische Legende abzutun, und er liest sich auch nicht wie eine solche.

Das fünfte Indiz für die Echtheit der Begräbnisgeschichte ist das Fehlen anderer, alternativer Begräbnisgeschichten. Wenn der Bericht bei Markus im Wesentlichen eine Legende ist, warum gibt es dann keinerlei anderen, gleichsam konkurrierenden Legenden, ganz zu schweigen von möglichen Spuren davon, was wirklich mit dem Leichnam geschah? Hier ist ein Vergleich mit den diversen Mythen bzw. Legenden über die Leichname solcher heidnischen Figuren wie Osiris oder Empedokles aufschlussreich. Wo keine historischen Fakten die Fantasie zügeln, kann es gleichzeitig und unabhängig voneinander zu unterschiedlichen Legenden kommen. Wenn die Grablegungsgeschichte eine bloße Legende ist, warum gibt es dann keine Alternativdarstellungen, z.B. ein Begräbnis durch treue Jünger Jesu oder durch seine Verwandten oder durch (auf Anweisung eines mitfühlenden Pilatus) die Römer?

Woher kommt diese Einstimmigkeit der Überlieferung, wenn es keinen historischen Kern gegeben hat? Lüdemann, der dieses Problem zu spüren scheint, glaubt, aus Johannes 19,31-37 und Apostelgeschichte 13,29 eine separate Tradition des Begräbnisses Jesu durch die Juden herauslesen zu können, [15] doch Broer stellt klar, dass die beiden Bibelstellen nicht dieselbe Überlieferung meinen können, weil in der einen die Juden die Römer bitten, sich um den Leichnam zu kümmern, während sie dies nach der anderen selber tun. [16] Dass das Begräbnis Jesu in der Apostelgeschichte den Juden zugerechnet wird, ist Ausdruck einer allgemeinen Tendenz des Lukas zur Polemik gegenüber der jüdischen Obrigkeit, die ihn sogar die Kreuzigung Jesu den Juden zurechnen lässt (Apostelgeschichte 2,23; 2,36; 4,10). [17]

Alles in allem ergibt sich aus diesen fünf Indizien ein starkes Prima facie-Argument für die Annahme der Historizität der Grablegung Jesu durch Josef von Arimathäa. Aus diesem und anderen Gründen pflichtet die Mehrheit der Neutestamentler John A.T. Robinson bei, wenn er schreibt, dass das ehrenvolle Begräbnis Jesu „eine der frühesten und am besten bezeugten Tatsachen über Jesus“ ist. [18]

Man beachte, dass bei der Prüfung der Historizität des Begräbnisberichtes antimirakulöse historiographische Prinzipien noch nicht einmal ansatzweise ins Spiel kommen, denn der Bericht ist gerade so nüchtern wie der Bericht über die Kreuzigung. Jeder Historiker kann in seiner Rolle als Historiker genauso direkt die Frage stellen: „Was geschah mit dem Leichnam Jesu?“, wie er fragen kann: „Wie ist Jesus von Nazareth gestorben?“ Wenn Lüdemann also die Aussagekraft all der Indizien für das ehrenvolle Begräbnis Jesu verneinen will, dann braucht er Gegenindizien und Gegenargumente, die mindestens ebenso zwingend sind.

Lüdemann sagt angesichts dieser Indizienlage, dass es „wohl zu weit geht“, die Historizität von Josef von Arimathäa zu bestreiten, [19] behauptet aber: „Wohin er [Josef] (oder uns unbekannte Juden) den Leichnam gelegt hat (haben), können wir nicht mehr sagen.“ [20] Lüdemann verneint die Grablegung Jesu durch Josef vor allem wegen der Tendenz der späteren Evangelien, Josef zu loben; sie bezeichnen ihn als „guten und gerechten Mann“ (Lukas 23,50), ja sogar als „Jünger Jesu“ (Johannes 19,38). Aber selbst wenn die späteren Evangelisten diese Tendenz zeigen, scheint mir das kein guter Grund dafür zu sein, das in der Markus vorliegenden Quelle berichtete historische Faktum des Begräbnisses Jesu durch Josef zu verneinen. Wenn diese Tendenz etwas beleuchtet, dann ist es das Indiz 4 oben, also die absolute Schlichtheit des vormarkianischen Berichtes. Und wenn Lüdemann bereit ist, die Person Josefs als historisch zu betrachten, wie können wir dann seine Rolle bei dem Begräbnis Jesu verneinen, da doch der Hauptbeweis für Josefs Historizität just darin liegt, dass ein fiktiver Begräbnisbericht Jesu ehrenvolle Beisetzung niemals mit einem Mitglied des Sanhedrin in Verbindung gebracht hätte? Es ist genau die Verbindung zu Jesu Grablegung, die Josefs Historizität plausibel macht. Trotz der Neigung späterer Evangelisten, Josefs Hingabe zu Jesus übertrieben darzustellen, haben daher die meisten Forscher keinen Zweifel an der grundsätzlichen Zuverlässigkeit der Begräbnisgeschichte.

Das leere Grab

Fakt #2: An dem auf die Kreuzigung Jesu folgenden Sonntag fanden mehrere der Frauen, die ihm nachgefolgt waren, das Grab leer vor. Zu den Gründen, die die meisten Forscher zu diesem Schluss gebracht haben, gehören die folgenden:

  1. Das leere Grab gehört zu dem von Markus benutzten, sehr alten Quellenmaterial.
  2. Die von Paulus in 1. Korinther 15 zitierte alte Überlieferung impliziert das leere Grab.
  3. Die Geschichte ist schlicht und zeigt keine Anzeichen für legendäre Ausschmückungen.
  4. Die Tatsache, dass im Palästina des 1. Jahrhunderts die Zeugenaussagen von Frauen wertlos waren, spricht für die Rolle der Frauen bei der Entdeckung des leeren Grabes.
  5. Die sehr frühen jüdischen Behauptungen, die Jünger hätten Jesu Leichnam gestohlen, zeigen, dass der Leichnam in der Tat aus dem Grab verschwunden war.

Das erste Indiz bezieht sich erneut auf die Markus vorliegende frühe Passionsgeschichte, zu der das leere Grab gehörte. [21] Damit kann die Geschichte vom leeren Grab keine spätere Legende sein. Doch Lüdemann nennt vier Gründe, warum Markus 16,1-8 seines Erachtens als Argument für die Historizität des leeren Grabes „wertlos“ ist: [22] (1) Das Argument setzt voraus, dass die Begräbnisstätte bekannt war, was sehr zweifelhaft sei. (2) Im Gegensatz zu Markus 16,8 setzt es voraus, dass die Frauen ihre Entdeckung doch weitererzählten. (3) Streng genommen erzählt der Abschnitt nicht die Entdeckung des Grabes, sondern verkündigt am leeren Grab die Auferstehung Jesu. Und (4): Wie will man der Vermutung von Kirsopp Lake entgehen, die Frauen seien zu dem falschen Grab gegangen?

Diese Einwände sind nicht so schwerwiegend, wie Lüdemann offenbar annimmt. Erstens gibt es, wie wir schon sahen, gute Gründe, die Historizität des ehrenvollen Begräbnisses Jesu durch Josef von Arimathäa zu akzeptieren. Sofern Lüdemann also keinen Grund für eine negative Einschätzung der Gegenwart der Frauen bei der Kreuzigung und Grablegung vorbringen kann (und das tut er meines Wissens nicht), gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass die Frauen nicht am Sonntagmorgen zu dem Grab hätten kommen können. Zweitens zeigt sich in dem Erschrecken und Schweigen der Frauen ein markianisches Motiv der schockierten Reaktion von Menschen auf die Gegenwart des Göttlichen, [23] und das Schweigen ist auch nicht als längere Zeit anhaltend zu verstehen, denn sonst hätte Markus hier keine Geschichte zu erzählen gehabt! Lüdemanns dritter Einwand benutzt eine absurde Unterscheidung, da die Verkündigung von Jesu Auferstehung an seinem leeren Grab natürlich ein leeres Grab impliziert. Die Worte des Engels richten die Aufmerksamkeit darauf, dass das Grab leer ist: „Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten“ (Markus 16,6). Was schließlich die Theorie von Lake betrifft, ist einer der Gründe dafür, dass sie fast keine Anhänger fand, der naheliegende Einwand, dass, als die Jünger mit ihrer Auferstehungspredigt begannen, die jüdischen Oberen sicher nur zu bereitwillig auf die Verwechslung der Frauen hingewiesen hätten. Alles in allem ist es schwierig, zu sehen, wie Lüdemanns Urteil, die Geschichte vom leeren Grab im Markusevangelium sei historisch wertlos, zu halten sein soll.

Was das zweite Indiz für das leere Grab angeht, so versucht Lüdemann, die Implikation des leeren Grabes dadurch zu umgehen, dass er das Begräbnis als eigenständiges Ereignis verneint. [24] Aber der griechische Urtext sieht das Begräbnis sehr wohl so, denn jede der vier Aussagen in der Formel beginnt mit einem grammatisch nicht nötigen hoti, das dazu dient, die verschiedenen Ereignisse voneinander zu unterscheiden und aneinanderzureihen. Die Vermutung, dass der Ex-Pharisäer Paulus oder die frühe Gemeinde in Jerusalem, aus der diese Formel kam, hätte behaupten können, dass Christus begraben wurde und auferstand, während man gleichzeitig glaubte, dass der Leichnam noch in dem Grab lag, ist aus der Luft gegriffen. [25] Dazu zeigt ein Vergleich der Bekenntnisformel mit den Evangelienberichten und den Predigten in der Apostelgeschichte, dass der dritte Teil der Formel eine Zusammenfassung der Geschichte vom leeren Grab ist, wobei das „... dass er auferweckt worden ist“ dem „Er ist auferstanden“ entspricht.

Die dritte Begründung für die Annahme, dass das Grab tatsächlich leer war, führt uns zu Markus zurück. Wie die Begräbnisgeschichte, ist auch die vom leeren Grab ausgesprochen prosaisch und frei von theologischen oder apologetischen Motiven, wie sie für nachträgliche Legendenbildungen typisch sind. Für die Auferstehung selber gibt es keine Beschreibung oder Augenzeugenberichte; wir finden keine Ausführungen über Jesu Triumph über die Sünde und den Tod, keine christologischen Titel, keine Zitate erfüllter Prophezeiungen, keinerlei Beschreibung des Auferstandenen. Lassen wir die Engelsgestalt als eine, sagen wir, rein literarische Figur, die die Deutung des leeren Grabes liefert, beiseite, wird die Erzählung noch schlichter und schmuckloser (vgl. Johannes 20,1-2). Daraus erhellt, dass wir es hier nicht mit einer Legende zu tun haben. Die Schlichtheit und Zurückhaltung des Berichtes bei Markus wird noch deutlicher, wenn wir ihn mit der entsprechenden Stelle im Petrusevangelium vergleichen, wo ein triumphierender Jesus aus dem Grab heraus marschiert, begleitet von Engeln und gefolgt von einem sprechenden Kreuz, während eine Stimme vom Himmel erschallt und die römische Grabwache, die Führer der Juden und eine große Menschenmenge zuschauen!

Beim vierten Argument geht es um das Kriterium der Peinlichkeit – ein weiteres wichtiges Indiz für Authentizität. Im Palästina des 1. Jahrhunderts waren Frauen Menschen zweiter Klasse; vor einem jüdischen Gericht konnten sie nicht als Zeugen auftreten. Umso erstaunlicher ist es, dass es in den Evangelien Frauen sind, die als Erste das leere Grab Jesu entdecken und bezeugen; solch ein „Zeugnis zweiter Klasse“ war für die Verkündigung des Evangeliums eher ein Klotz am Bein. Jede nachträgliche Legendenbildung hätte dafür gesorgt, dass es männliche Jünger waren, die das leere Grab entdeckten, und viele kritische Stimmen sehen denn auch in der Inspektion des leeren Grabes durch Petrus und einen anderen Jünger eine spätere Hinzufügung von der legendären Art. Die beste Erklärung für die Tatsache, dass es in dem frühesten Auferstehungsbericht nicht Männer sind, die das leere Grab entdecken, sondern Frauen (deren Zeugnis damals als wertlos galt), ist, dass die Überlieferung hier zuverlässig ist. [26]

Und schließlich haben wir als Indiz für das leere Grab die älteste jüdische Polemik gegen die Auferstehung, die Matthäus in seiner Geschichte über die Grabwache erwähnt. Lüdemann konzediert, dass diese Polemik auf einen jüdischen Glauben an das leere Grab schließen lässt, lässt dies aber nicht als Indiz gelten, weil, wie er sagt, die Juden erst aufgrund der christlichen Tradition zu diesem Glauben kamen. Für ihn kann man ausschließen, dass sie das leere Grab als historisches Faktum kannten, weil Jesus kein reguläres Begräbnis erhielt, sodass niemand wusste, was mit dem Leichnam geschehen war. [27] Doch ganz abgesehen davon, dass wir gute Gründe dafür haben, von einer ehrenvollen Beisetzung Jesu auszugehen: Wenn die Begräbnisgeschichte wirklich eine Legende wäre und niemand wusste, was mit dem Leichnam Jesu geschah, so hätten in diesem Fall die jüdischen Gegner der Jünger, als diese zu verkündigen begannen: „Er ist auferstanden von den Toten“ (Matthäus 27,64), sich sicher nicht die Mühe gemacht, für die Christen das leere Grab zu erfinden, indem sie sagten, der Leichnam sei gestohlen worden. Lüdemann muss erklären, wie, wenn doch niemand wusste, wo der Leichnam hingekommen war, die jüdischen Gegner der Christen zu der Behauptung kamen, er sei gestohlen worden. Und seine Behauptung, dass die Juden nur die christliche Tradition von dem leeren Grab kannten, berücksichtigt nicht die hinter der Darstellung bei Matthäus liegende Überlieferungsgeschichte. Dass die Geschichte nicht allein auf dem Boden des Matthäus gewachsen ist, erhellt aus den zahlreichen nicht matthäischen sprachlichen Merkmalen der Erzählung. [28] Hinter der Geschichte liegt offensichtlich ein sich allmählich entwickelndes Muster aus Behauptungen und Gegenbehauptungen:

Judenchrist: „Der Herr ist auferstanden!“

Jude: „Nein, seine Jünger haben seinen Leichnam gestohlen.“

Judenchrist: „Unmöglich! Das hätte die Grabwache verhindert.“

Jude: „Die sind eingeschlafen.“

Judenchrist: „Das behaupten die nur, weil die Hohenpriester sie entsprechend bestochen haben.“

Dieses Muster geht sehr wahrscheinlich auf Kontroversen in Jerusalem zurück, die sich aus der Auferstehungsverkündigung der Jünger ergaben, denn, wie John Meier bemerkt: „Die frühesten Auseinandersetzungen über die Person Jesu, zu denen es nach Ostern zwischen Juden und Judenchristen kam, konzentrierten sich auf die Behauptung der Christen, dass ein gekreuzigter Verbrecher der Messias war [und] dass Gott ihn von den Toten auferweckt hatte …“ [29] Das nicht-matthäische Vokabular und die offensichtliche Überlieferungsgeschichte hinter diesen Auseinandersetzungen machen diese Annahme plausibel. Aber wenn dieser Streit in Jerusalem begonnen hatte, stellt sich natürlich die Frage, warum die jüdischen Gegner der Christen, als sie von diesen für sie abenteuerlichen Behauptungen eines leeren Grabes hörten, das Ganze nicht kurzerhand als ein Märchen abtaten, anstatt zu behaupten, die Jünger hätten den Leichnam aus dem Grab gestohlen – einem Grab, das es gar nicht gab und das niemand nachweisen konnte.

Wir haben also ein starkes Prima facie-Argument dafür, die grundsätzliche Zuverlässigkeit des Berichtes über das leere Grab anzuerkennen. In den Worten von Jacob Kremer: „Weitaus die meisten Exegeten halten … an der Zuverlässigkeit der biblischen Aussagen über das leere Grab fest …“ [30] Doch Lüdemann betrachtet die Geschichte vom leeren Grab als „eine apologetische Legende“, [31] ohne indes, soweit ich beurteilen kann, diese Behauptung belegen zu können. Es ist schwierig zu sehen, wie seine Hypothese zu halten sein soll, bedenkt man die zahlreichen, voneinander unabhängigen Belege für die Geschichte vom leeren Grab. Lüdemanns Skepsis gründet auf vier Annahmen, die mir alle als recht fragwürdig vorkommen. Erstens nimmt er an, dass die einzige Primärquelle, die wir für das leere Grab haben, das Markusevangelium ist. [32] Aber dies ist fast mit Sicherheit falsch. Mindestens Matthäus und Johannes haben unabhängige Quellen über das leere Grab, und dieses wird auch in Predigten in der Apostelgeschichte (2,29; 13,36-37) erwähnt und ist bei Paulus impliziert (1. Korinther 15,4). Klaus Berger stellt klar: „Die Berichte über das leere Grab werden von allen vier Evangelisten (und anderen Schriften des Urchristentums) in voneinander unabhängiger Form erzählt. Gerade über das leere Grab … haben wir eine große Fülle von Berichten, die selbstständig überliefert worden sind.“ [33]

Lüdemann nimmt zweitens an, dass die Jünger nach der Verhaftung Jesu nach Galiläa flohen [34] und dass es deswegen die Frauen sind, die als die Entdecker des leeren Grabes auftreten. Von Campenhausen verwirft die Flucht der Jünger zu Recht als eine gelehrte Erfindung. [35] Nicht nur gibt es keinerlei Indizien, die diese schon in sich unplausible Annahme stützen würden, sondern Lüdemanns eigene Theorie widerspricht ihr, da es für diese notwendig ist, dass mindestens Petrus in Jerusalem blieb, wo er Jesus verleugnet hatte. Und wenn die Geschichte von der Entdeckung des leeren Grabes durch die Frauen eine bloße Legende ist, warum war dann nicht ein rein legendarischer Bericht über die Entdeckung des leeren Grabes durch männliche Jünger möglich?

Drittens nimmt Lüdemann an, dass die Oberen der Juden, die seiner Meinung nach Jesu Leichnam entsorgt hatten, plötzlich nicht mehr wussten, was sie mit dem Leichnam gemacht hatten – eine Art kollektiver Gedächtnisschwund. Selbst wenn Josef (oder die Oberen der Juden) Jesus nur ein unehrenvolles Begräbnis gegönnt hatten, warum sagten sie, als die Jünger die Auferstehung zu predigen begannen, nicht einfach, wo sie Jesus begraben hatten? Lüdemann räumt ein, dass „Juden am Verbleib des Leichnams Jesu Interesse zeigten und natürlich eine Verkündigung Jesu als des Auferstandenen bei Gegnern bzw. Ungläubigen die Frage nach dem Leichnam Jesu geradezu provozierte.“ [36] Also noch einmal: Warum sagten die Führer der Juden, als die Jünger mit ihrer Auferstehungspredigt begannen, nicht einfach, wo sie den Leichnam Jesu hingetan hatten? Lüdemanns Antwort: Sie vergaßen es. [37] Auch dies will nicht so recht überzeugen!

Und schließlich nimmt Lüdemann an, dass der Glaube an das leere Grab als Schlussfolgerung aus dem Glauben, dass Jesus von den Toten auferstanden war, entstand. [38] Hier muss ich Lüdemann zwar gegenüber jenen Theologen, die glauben, dass der Glaube an die Auferstehung Jesu für die Juden und Christen des 1. Jahrhunderts nicht bedeutete, dass mit dem Leichnam irgendetwas geschehen war, recht geben, aber sein Vorschlag kann noch nicht alles sein, weil er keine Erklärung für die Schlussfolgerung bietet, dass der Leichnam Jesu, anders als bei Gekreuzigten üblich, in ein Grab gelegt worden war. Der Glaube an die Auferstehung Jesu implizierte in der Tat, dass der Leichnam nicht mehr da war, aber nicht unbedingt, dass es jetzt ein leeres Grab gab. Lüdemann hat den Glauben an das leere Grab also nicht erklärt.

Fassen wir zusammen: Wir haben gute Gründe für die Annahme, dass das Grab Jesu in der Tat von mehreren seiner Jüngerinnen leer vorgefunden wurde.

Die Erscheinungen des Auferstandenen

Fakt #3: Bei zahlreichen Gelegenheiten und unter unterschiedlichen Umständen erlebten diverse Einzelpersonen und Gruppen Erscheinungen des auferstandenen Jesus. Diese Tatsache wird von fast allen Neutestamentlern aus folgenden Gründen anerkannt:

  1. Die von Paulus in 1. Korinther 15,5-7 gegebene Liste von Personen, die Erscheinungen des Auferstandenen erlebt hatten, zeigt, dass es solche Erscheinungen gegeben hat.
  2. Die Erscheinungsüberlieferungen in den Evangelien bieten zahlreiche, voneinander unabhängige Belege für solche Erscheinungen.

Was das erste Argument betrifft, so gilt es aufgrund des frühen Datums von Paulus‘ Tradition sowie der persönlichen Bekanntschaft des Apostels mit vielen der aufgeführten Personen allgemein als erwiesen, dass die Jünger in der Tat Erscheinungen des Auferstandenen erlebten. Unter den Zeugen dieser Erscheinungen waren Petrus, der als „die Zwölf“ bekannte engere Jüngerkreis, eine Versammlung von 500 Gläubigen (von denen viele Paulus bekannt gewesen sein müssen, da er wusste, dass einige nicht mehr lebten), Jesu jüngerer Bruder Jakobus und ein größerer Apostelkreis. „Zuletzt von allen“, schließt Paulus, „ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden“ (1. Korinther 15,8).

Bei dem zweiten Indiz geht es erneut um das Kriterium der mehrfachen Bezeugung. Die Evangelien bezeugen unabhängig voneinander Erscheinungen des auferstandenen Jesus; zum Teil sind es die gleichen Erscheinungen wie die in Paulus‘ Liste. Wolfgang Trilling erklärt:

Von der Liste in 1 Kor 15 sind nun die Einzelberichte der Evangelien zu deuten. Hier mag uns helfen, was wir von den Wundern Jesu sagten. Es ist nicht möglich, ein einzelnes Wunder historisch zu „beweisen“. Aber die Gesamtheit der Wunderberichte lässt keinen vernünftigen Zweifel daran zu, dass Jesu überhaupt „Wunder“ getan hat. Analog gilt das von den Erscheinungsberichten. Es ist nicht möglich, das einzelne Ereignis geschichtlich zu sichern. Die Gesamtheit der Erscheinungsberichte aber lässt keinen vernünftigen Zweifel daran zu, dass sich Jesus überhaupt in solcher Weise bezeugte. [39]

Die Erscheinung vor Petrus wird unabhängig voneinander von Paulus und Lukas bezeugt (1. Korinther 15,5; Lukas 24,34), die vor den Zwölf von Paulus, Lukas und Johannes (1. Korinther 15,5; Lukas 24,36-43; Johannes 20,19-20), die vor den Jüngerinnen von Matthäus und Johannes (Matthäus 28,9-10; Johannes 20,11-17) und die vor den Jüngern in Galiläa von Markus, Matthäus und Johannes (Markus 16,7; Matthäus 28,16-17; Johannes 21). Dabei ergibt sich die Reihenfolge Jerusalem – Galiläa – Jerusalem: Die Jünger kehrten nach dem großen Passahfest in Jerusalem nach Galiläa zurück, um zwei Monate später erneut als Pilger zum Pfingstfest nach Jerusalem zu gehen.

Lüdemann selber kommt zu dem Schluss: „Als historisch gesichert darf gelten, dass Petrus (und die Jünger) nach Jesu Tod ein Erlebnis hatten, in dem ihm/ ihnen Jesus als der auferstandene Christus erschien.“ [40] Er und ich stimmen also überein, dass nach der Kreuzigung Jesu verschiedene Einzelpersonen und Gruppen Erscheinungen des vom Tod auferstandenen Christus erlebten. Was strittig ist, ist, wie man diese Erlebnisse am besten erklärt.

Der Ursprung des Glaubens an die Auferstehung

Fakt 4: Die ersten Jünger glaubten, dass Jesus von den Toten auferstanden war, obwohl fast alles an ihrer kulturellen und religiösen Prägung gegen einen solchen Glauben sprach. Gleich drei Aspekte der Situation der Jünger nach der Kreuzigung versahen den Glauben und die Hoffnung, die sie in Jesus investiert hatten, mit einem dicken Fragezeichen:

  1. Jesus war tot, und die Juden rechneten nicht mit einem sterbenden, geschweige denn wieder auferstehenden Messias.
  2. Nach dem jüdischen Gesetz bedeutete Jesu Hinrichtung als ein Verbrecher, dass er ein Irrlehrer war, der buchstäblich unter Gottes Fluch stand.
  3. In den jüdischen Vorstellungen über das, was nach dem Tod kam, war nicht vorgesehen, dass jemand vor der eschatologischen allgemeinen Auferstehung am Ende der Welt von den Toten auferstand.

Was den ersten Punkt betrifft, so erwarteten die Juden damals einen Messias, der die Feinde Israels besiegen und den Thron Davids wiederherstellen würde, und nicht einen, der von den Feinden schändlich hingerichtet werden würde. Jesu schmachvolle Kreuzigung durch die Römer konnte für einen Juden des 1. Jahrhunderts nur bedeuten, dass er nicht der ersehnte Retter Israels war, sondern der nächste falsche Messias. Falsche Messiasse waren im Judentum nichts Neues, und ihre enttäuschten Anhänger hatten im Wesentlichen zwei Optionen: nach Hause zu gehen oder sich einen neuen Messias zu suchen. Beide Alternativen waren nicht leicht, aber etwas anderes gab es nicht. N.T. Wright, der gescheiterte messianische Bewegungen vor und nach Jesus untersucht hat, bemerkt:

Soweit wir wissen, waren alle Anhänger dieser messianischen Bewegungen im 1. Jahrhundert der Sache, für die sie kämpften, fanatisch ergeben. Als ihre Erwartungen sich zerschlugen, waren sie erstklassige Kandidaten für jene verflixte Krankheit des 20. Jahrhunderts, die man „kognitive Dissonanz“ nennt. Aber in keinem einzigen Fall – in dem ganzen Jahrhundert vor Jesus und in dem nach ihm – hören wir von einer jüdischen Gruppe, die behauptet hätte, dass ihr hingerichteter Anführer von den Toten auferstanden und doch der Messias war. [41]

Wright stellt folgende interessante Frage: Wenn die Jünger nicht einfach nach Hause gehen wollten, warum wählten sie dann nicht einen aus ihrer Mitte – z. B. Jakobus – zum neuen Messias? Als Jesu jüngerer Bruder wäre er der logische Kandidat gewesen. Aber obwohl Jakobus mit der Zeit der mächtigste Mann in der Jerusalemer Gemeinde wurde, wurde er nie Messias genannt. Flavius Josephus nennt ihn einfach „den Bruder des Jesus, der Christus genannt wird“ (Jüdische Altertümer, Buch 20, Kap. 9.1). Schaut man sich das typische Schicksal gescheiterter messianischer Bewegungen an, so hätte man erwarten sollen, dass die Jünger Jesu entweder nach Hause gingen oder sich einen anderen Messias suchten. Dass sie es nicht taten, ist erklärungsbedürftig.

Was den zweiten Punkt betrifft, so stand nach dem alttestamentlichen Gesetz jeder, der durch Erhängen an einem Baum hingerichtet wurde, unter Gottes Fluch (5. Mose 21,23), und die Juden zur Zeit Jesu wandten dies auch auf die Kreuzigung an. Mit den Augen eines jüdischen Anhängers Jesu aus dem 1. Jahrhundert betrachtet, bedeutete die Kreuzigung viel mehr als den Tod des geliebten Meisters, wie dies etwa bei Sokrates der Fall war. Die Kreuzigung war die ultimative Katastrophe, zeigte sie doch, dass Jesus von Nazareth nicht Gottes Gesalbter, sondern Gottes Verfluchtet gewesen war. Die Jünger waren einem Mann gefolgt, den Gott so deutlich wie nur irgend möglich verworfen hatte.

Und drittens war die jüdische Auferstehungshoffnung immer eine Hoffnung, die a) eine Allgemeinheit von Menschen betraf und b) eschatologisch war. Wenn Gott die Welt, wie wir sie heute kennen, zu ihrem Ende gebracht hatte, dann würden alle verstorbenen Gerechten auferstehen. Joachim Jeremias kommt nach seiner Sondierung der jüdischen Literatur zu dem Schluss:

Im alten Judentum war eine vorweggenommene Auferstehung als historisches Ereignis unbekannt. Wir finden wir in der Literatur nichts, was der Auferstehung Jesu vergleichbar wäre. Totenauferweckungen waren zwar grundsätzlich bekannt, aber nur in Form der Wiederbelebung, also der Rückkehr in das irdische Leben. An keiner Stelle in der späteren jüdischen Literatur geht es um eine Auferstehung zur doxa als historisches Ereignis. [42]

Selbst wenn der Glaube der Jünger an Jesus seine Kreuzigung überstanden hätte, hätten sie bestenfalls darauf gehofft, ihn bei der allgemeinen Auferstehung der Toten am Ende der Zeiten wiederzusehen, und vielleicht sein Grab zu einem Schrein gemacht, in welchem seine Gebeine bis dahin ruhen konnten. Das war die jüdische Hoffnung.

Wir wissen natürlich, dass dem nicht so war. Obwohl sie aufgrund ihrer religiösen Prägung das Gegenteil erwarteten, ist es eine unbestreitbare Tatsache, dass die Jünger Jesu plötzlich und ehrlich zu der Überzeugung kamen, dass Gott Jesus von Nazareth von den Toten auferweckt hatte. Lüdemann selber schreibt, dass die historische Analyse „zum Konstatieren des plötzlich entstandenen Osterglaubens“ der Jünger führt. [43] Jeder seriöse Historiker, der den Ursprung des Christentums beschreiben will, muss erklären, woher dieser Glaube bei den Menschen, die Jesus gekannt hatten und ihm nachgefolgt waren, kam. Fast jeder wird Luke Johnson zustimmen, wenn er schreibt: „Es braucht irgendein mächtiges Erlebnis der Verwandlung, um die Art Bewegung zu schaffen, die das frühestes Christentum war, und die Art Literatur, die das Neue Testament ist.“ [44] Die Frage ist: Wie erklären wir dieses Erlebnis am besten – durch die Auferstehung Jesu oder durch Halluzinationen der Jünger?

Fassen wir zusammen: Es gibt vier Fakten, die eine adäquate historische Hypothese über das Schicksal Jesu erklären muss: sein ehrenvolles Begräbnis, die Entdeckung seines leeren Grabes, seine Erscheinungen nach seinem Tod und den Ursprung des Glaubens der Jünger an seine Auferstehung.

Die beste Erklärung

Welche Hypothese bietet die beste Erklärung der historischen Daten zum Tod Jesu und dem, was danach kam? In seinem Buch Justifying Historical Descriptions nennt C.B. McCullagh sechs Kriterien, die Historiker zum Testen von historischen Beschreibungen benutzen: Erklärungsbereich, Erklärungskraft, Plausibilität, Ad-hoc-Gehalt, Übereinstimmung mit allgemein anerkannten Annahmen und Überlegenheit gegenüber Alternativhypothesen[45] Wir haben es in unserem Fall mit zwei rivalisierenden Hypothesen zu tun, die ich die Auferstehungshypothese und die Halluzinationshypothese nennen möchte. [46]

Die Halluzinationshypothese

Nach Lüdemann hatte Petrus, nachdem er Jesus verleugnet hatte, solche Gewissensqualen, dass er, um innerlich wieder frei atmen zu können, eine Vision von Jesus projizierte, die ihn zu dem Glauben führte, Jesus sei von den Toten auferstanden: „Aber unter dem Eindruck von Jesu Verkündigung und Tod kam in Petrus schließlich das ‚Dennoch‘ des Glaubens zum Durchbruch. Damit erwies sich der gekreuzigte Jesus als der lebendige, sodass Petrus das im Wirken Jesu präsente Vergebungswort Gottes noch einmal und diesmal in seiner tiefgründigen Klarheit auf sich beziehen konnte.“ [47] Diese Erfahrung des Petrus wirkte in der jungen christlichen Gemeinde ansteckend, sodass bald auch andere, die nicht Petrus‘ Trauma erlitten hatten, Halluzinationen des auferstandenen Herrn hatten. „Ja, auf gegnerische Einwände von jüdischer Seite und Fragen nach dem Verbleib des Leichnams Jesu hin wusste man alsbald zu berichten, dass die Frauen das Grab leer gefunden haben, und später, dass Jesus den Frauen am Grab sogar erschienen sei.“ [48] Um einiges später kam dann die Legende von der Entdeckung des leeren Grabes auf. Derweil kämpfte Saulus von Tarsus mit seinen eigenen Schuldgefühlen, während er sich unter dem Joch des Gesetzes abmühte, und sein Eifer als Christenverfolger war Ausdruck seines heimlichen Hingezogenseins zu der christlichen Botschaft. Lüdemann: „Führen wir das Gedankenexperiment durch, man hätte Paulus vor der Damaskusvision analysieren können, so dürfte die Analyse in seinem Unbewussten eine starke Strömung zu Christus hin gezeigt haben, ja, die Annahme seiner unbewussten Christlichkeit liegt dann nicht mehr so fern.“ [49] Auf der Straße nach Damaskus entlud sich der in Paulus aufgestaute Kampf in einer Jesushalluzination, aufgrund derer er sich zu dem Glauben bekehrte, den er bisher verfolgt hatte. „Der mit der Verfolgung aufgestaute Schuldkomplex wurde durch die Gewissheit, in Christus zu sein, abgelöst.“ [50]

Untersuchen wir, wie diese Hypothese sich als Erklärung der Fakten schlägt, wenn wir die sechs Kriterien von McCullagh auf sie anwenden.

Kriterium 1: Erklärungsbereich. Dies ist die Hauptschwäche der Halluzinationshypothese. Sie soll lediglich die nachtodlichen Erscheinungen Jesu erklären, bietet jedoch keine Erklärung des leeren Grabes. Um auch das leere Grab zu erklären, müsste man die Halluzinationshypothese durch irgendeine andere Hypothese ergänzen. Lüdemann leugnet natürlich, dass das Grab leer war. Aber hier geht es um die induktive Faktenlage, und wir haben oben bereits gesehen, dass Lüdemanns Umgang mit den Indizien für das Begräbnis und das leere Grab nicht überzeugt. Seine Leugnung des Begräbnisses und des leeren Grabes Jesu ist gewissermaßen aus der Not geboren, denn sobald man diese beiden Fakten anerkennt, wird der ungenügende Erklärungsbereich der Halluzinationshypothese deutlich und die Theorie gerät in große Probleme. Und so kommt Lüdemann dazu, dass er so eine banale Tatsache wie das ehrenvolle Begräbnis Jesu, das von den meisten Fachgelehrten als historisch betrachtet wird, leugnen muss.

Kriterium 2: Erklärungskraft. Tun wir einmal so, als ob Petrus in der Tat eine Halluzination von Jesus nach dessen Tod aufgrund der psychologischen Faktoren hatte, von denen Lüdemann ausgeht. Die Frage ist dann, ob diese Hypothese stark genug ist, um die Erscheinungen des Auferstandenen und den Ursprung des Glaubens der Jünger an die Auferstehung Jesu zu erklären. Mir scheint, dass sie das nicht leistet, und dies aus zwei Gründen:

Erstens bietet die Halluzinationshypothese keine überzeugende Erklärung der großen Diversität der Erscheinungen. Die Erscheinungen erfolgten zu vielen verschiedenen Zeitpunkten, vor verschiedenen Personen und ganzen Gruppen von Personen, an verschiedenen Orten und unter unterschiedlichen Umständen. Und nicht nur Gläubige erlebten sie, sondern auch Menschen, die noch nicht an Jesus glaubten, wie Jakobus, der Bruder Jesu, und der Pharisäer Saulus von Tarsus.

Diese Diversität ist über Halluzinationen sehr schwierig zu erklären. Halluzinationen erfordern auf der Seite der Empfänger eine sehr spezielle seelische Verfassung. Da es aber – laut Hypothese – den Schuldkomplex nur bei Petrus und Paulus gab, müsste man die große Vielfalt der Erscheinungen über eine Art Ansteckung oder Kettenreaktion erklären. Doch dafür vermag Lüdemann kein Beispiel zu geben. [51] Man beachte, dass das Problem die Unterschiedlichkeit der Erscheinungen ist und nicht nur die einzelnen Erscheinungen selber. Selbst wenn man aus den Akten und Chroniken eine Sammlung von Halluzinationsgeschichten, die sich über einen bestimmten Zeitraum erstrecken (wie die Visionen in Medjugorje), von Massenhalluzinationen (wie in Lourdes), von Halluzinationen von Individuen usw. erstellen könnte – die Tatsache bleibt, dass kein einziger Fall bekundet ist, der eine solche Diversität zeigt wie bei den Erscheinungen des auferstandenen Jesus. Nur durch das Zusammenstellen von Fällen, die nichts miteinander zu tun haben, könnte man eine vergleichbare Diversität erreichen.

Ich möchte drei konkrete Beispiele nennen, die durch die Halluzinationshypothese nicht gut erklärt werden können:

Jakobus: Der jüngere Bruder Jesu glaubte zu dessen irdischen Lebzeiten nicht, dass er der Messias oder überhaupt jemand Besonderes war (Markus 3,21.31-35; 6,3; Johannes 7,1-10). Doch in Apostelgeschichte 1,14 finden wir Jakobus plötzlich in der kleinen Gemeinde, die sich nach den Erscheinungen des Auferstandenen im Obergemach eines Hauses traf, und später wird er zu einer führenden Gestalt der Jerusalemer Gemeinde (Apostelgeschichte 12,17; Gal. 1,19). Josephus berichtet von seinem Märtyrertod Mitte der 60er Jahre, als Judäa vorübergehend keinen Prokurator hatte. Diese bemerkenswerte Wandlung dürfte darauf zurückzuführen sein, dass Jesus auch Jakobus erschien („Danach ist er gesehen worden von Jakobus …“, 1. Korinther 15,7). Für Lüdemann selber „steht fest“, dass Jakobus eine Erscheinung des Auferstandenen erlebte, [52] doch er ist merkwürdig still, wenn es darum geht, zu erklären, wie diese Erscheinung zu seiner Theorie passt. Die Erklärungskraft der Halluzinationshypothese ist bezüglich dieser Erscheinung gering, da es unwahrscheinlich ist, dass Jakobus als Nichtchrist, der noch nicht zur christlichen Gemeinde gehörte, eine „Sekundärvision“ des Auferstandenen erlebte.

Die über 500 Brüder: Die meisten dieser Menschen waren im Jahre 55 n.Chr., als Paulus den 1. Korintherbrief schrieb, noch am Leben, und wer wollte, konnte sie befragen. Lüdemann erklärt diese Erscheinung als einen legendenhaften Verweis auf das Pfingstereignis, das er als einen Fall von „Massenekstase“ darstellt. [53] Doch dies ist eine schwache Erklärung – nicht nur, weil die Augenzeugen noch lebten, sondern weil das, was zu Pfingsten geschah, etwas fundamental anderes war als eine Auferstehungserscheinung. Wie Hans Kessler in seiner Kritik an Lüdemanns Vorschlag schreibt:

Die Gleichsetzung dieser Erscheinung mit dem Pfingstereignis ist mehr als fraglich, zumal in Apg 2,1–13 alle Charakteristika einer Ostergeschichte (v.a. das Erscheinen Christi) fehlen und umgekehrt in den frühen Ostertexten der Geist keine Rolle spielt. [54]

Es wäre höchst unplausibel, wenn ein Ereignis wie Pfingsten (von dem man annimmt, dass es in der christlichen Überlieferung in Apostelgeschichte 2 mehr oder weniger exakt festgehalten worden ist) sich zu einer Erscheinung des Auferstandenen entwickelt hätte, bedenkt man, dass dieses Ereignis keines der Grundelemente einer Erscheinung aufweist (vor allen Dingen keinen Christus, der erscheint). Und noch einmal: Nicht nur sind kollektive Halluzinationen selten, sondern was die Erklärungskraft der Halluzinationshypothese vor allem strapaziert, ist die große Diversität der verschiedenen Arten von Erscheinungen.

Die Frauen: Dass die ersten Empfänger einer Erscheinung des auferstandenen Jesus Frauen waren, ist sowohl mehrfach bezeugt als auch durch das Kriterium der Peinlichkeit gestützt. Aus diesem Grund, so Kremer, „wird in der neueren Forschung“ dieser Erscheinung vor Frauen „eine größere Verankerung in der Historie zugeschrieben als früher.“ [55] Lüdemann selber nennt die Erscheinung vor Maria Magdalena „historisch sicher“, [56] obwohl seine Theorie ihn dazu zwingt, zu bezweifeln, dass Maria als Erste den Auferstandenen sah. Doch nirgends im ganzen Neuen Testament (noch nicht einmal in 1. Korinther 15,5) wird gesagt, dass der Erste, der den auferstandenen Christus sah, Petrus war, der weit verbreiteten Annahme seiner chronologischen Priorität zum Trotz, sondern es sind die Frauen, die diese Priorität genießen. Dass sie in der Liste in 1. Korinther 15,5-7 fehlen, liegt ohne Zweifel daran, dass ihre Nennung als Zeugen in einer patriarchalischen Kultur ohne jeden Wert gewesen wäre. Für Lüdemanns Hypothese ist die Erscheinung vor den Frauen fatal, da sie nicht als vom Erleben des Petrus hervorgerufene „Sekundärvision“ abgetan werden kann. Da diese Frauen nicht den Schuldkomplex des Petrus hatten (sie waren Jesus bis ans Ende treu geblieben), fehlten bei ihnen die spezifischen psychologischen Voraussetzungen, die zu Halluzinationen von Jesus hätten führen können. Damit hat Lüdemanns Hypothese bezüglich dieser Erscheinung keine Erklärungskraft.

Alles in allem hat die Halluzinationshypothese bezüglich der Diversität der Erscheinungen des Auferstandenen keine große Erklärungskraft.

Zweitens hat die Halluzinationshypothese keine starke Erklärungskraft bezüglich des Ursprungs des Glaubens der Jünger an die Auferstehung Jesu. Subjektive Visionen bzw. Halluzinationen haben kein außermentales Korrelat, sondern sind Projektionen des eigenen Gehirns des Betroffenen. Hätten Paulus oder Petrus also in einem Anfall von Gewissensqualen projizierte Visionen eines lebenden Jesus gehabt, hätten sie sich ihn als im Paradies existierend vorgestellt, dem Ort, wo die verstorbenen Gerechten auf die eschatologische Auferstehung warteten. Aber solche Paradiesvisionen können ihren Glauben an die Auferstehung nicht erklären. Die für unsere Ohren so vertraute Schlussfolgerung „Er ist auferstanden“ war für einen Juden des 1. Jahrhunderts gänzlich undenkbar. Im damaligen jüdischen Denken gab es für das, was Petrus angeblich erlebt hatte, bereits eine andere, perfekt passende Schublade: Jesus war in den Himmel aufgenommen worden. Doch eine Himmelfahrt ist etwas völlig anderes als eine Auferstehung von den Toten. Aus nachtodlichen Erscheinungen Jesu den Schluss zu ziehen, dass er auferstanden war, lief, wie wir gesehen haben, dem jüdischen Denken gleich in zweierlei fundamentaler Hinsicht zuwider, während eine Himmelfahrt die naheliegende Deutung gewesen wären. Soweit ich weiß, spricht Lüdemann nirgends die Frage an, warum etwaige Halluzinationen zu der Schlussfolgerung hätten führen müssen, dass Jesus von den Toten auferweckt worden war.

Die Halluzinationstheorie hat mithin in zweierlei Hinsicht eine schwache Erklärungskraft: Sie kann weder die Diversität der Erscheinungen erklären noch den Ursprung des Glaubens der Jünger an die Auferstehung Jesu.

Kriterium 3: Plausibilität. Lüdemanns Hypothese ist mindestens in zweierlei Hinsicht nicht plausibel.

Erstens kann Lüdemanns Psychoanalyse von Petrus und Paulus nicht überzeugen. Hier ist zweierlei anzumerken:

a) Es gibt nicht genügend Daten für eine psychoanalytische Beurteilung von Petrus und Paulus. Alles, was wir von Paulus haben, sind ein paar autobiografische Passagen in seinen Briefen, und die Quellenlage zu Petrus‘ Psyche ist, wie Lüdemann selber zugibt, noch „ungleich schlechter“. [57] Die Erscheinung Jesu vor Petrus wird im Neuen Testament nirgends erzählt; es gibt nur zwei kurze Erwähnungen: „... und dass er gesehen worden ist von Kephas“ (1. Korinther 15,5) und „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen“ (Lukas 24,34). Lüdemanns Theorie gründet sich ganz auf imaginäre Annahmen über die psychische Verfassung des Petrus, über die wir fast nichts wissen. Eine Psychoanalyse ist bereits dann notorisch schwierig, wenn einem der Patient persönlich gegenübersitzt; bei historischen Gestalten ist sie so gut wie unmöglich. Das Genre der Psychobiografie stößt daher bei Historikern auf Ablehnung. Martin Hengel urteilt zu Recht: „Diese Grenzen des Historikers erkennt G. Lüdemann … nicht. Er gerät hier in den Bereich psychologischer Spekulationen, durch die sich nichts wirklich verifizieren lässt. … Für derartige psychologisierende Analysen ist zudem die Quellenlage viel zu eingeschränkt.“ [58]

b) Die Informationen, die wir tatsächlich haben, deuten darauf hin, dass Lüdemanns Psychoanalyse von Petrus und Paulus schlicht falsch ist. Es gelingt Lüdemanns fantasievoller Rekonstruktion von Petrus emotionalem Zustand nach seiner Verleugnung Jesu und dessen Kreuzigung nicht, das eigentliche Problem, vor dem Petrus stand, korrekt zu diagnostizieren. Das Problem war ja nicht so sehr, dass Petrus seinen Herrn im Stich gelassen hatte, als vielmehr, dass dieser ihn enttäuscht hatte! Lüdemann versäumt es, sich in das Denken eines Juden aus dem 1. Jahrhundert, der einem gescheiterten angeblichen Messias nachgefolgt war, zu versetzen. Wie Hans Grass in seiner scharfen Kritik der These von den eingebildeten Visionen betont, besteht eine der Hauptschwächen dieser Theorie darin, dass sie nicht ernst nimmt, was für eine Katastrophe die Kreuzigung für den Glauben der Jünger an Jesus war. [59] Lüdemann lässt das Desaster des Kreuzes links liegen und bastelt ohne jede Basis einen ganz mit sich selbst beschäftigten Petrus, der mit seiner Schuld und Schande ringt, und nicht mit den in Scherben liegenden messianischen Erwartungen. Und den, der meint, dass es diese zerschlagenen Erwartungen waren, die Petrus seine Halluzinationen eines von den Toten auferstandenen Jesus haben ließen, möchte ich daran erinnern, dass eine solche Auferstehungshoffnung in Israel nicht existierte, weder in Bezug auf den Messias noch auf die Auferstehung. Die Verbindung des Messias mit der Auferstehung von den Toten ist das Ergebnis und nicht die Ursache dessen, was die Jünger erlebten.

Was Paulus betrifft, so deutet die Quellenlage darauf hin, dass er mitnichten mit einem Schuldkomplex aufgrund des jüdischen Gesetzes kämpfte. Vor fast vierzig Jahren hat Krister Stendahl darauf hingewiesen, dass westliche Bibelleser dazu neigen, Paulus im Lichte von Martin Luthers Kampf mit seiner Schuld und Sünde zu interpretieren. Doch der Pharisäer Paulus erlebte solche Kämpfe nicht. Stendahl schreibt:

Im Gegensatz dazu Paulus: ein sehr glücklicher und erfolgreicher Jude, jemand, der … sagen kann (wie im Philipperbrief): „(ich war) untadelig nach der im Gesetz verlangten Gerechtigkeit“ (Phil. 3,6). Dies sagt er! Er kennt keine Beunruhigungen, keine Probleme, keine Gewissensqualen, keine Gefühle des Versagens. Er ist der Musterschüler, der in Gamaliels Seminar alle Preise erhält … Es gibt in den Schriften des Paulus nicht den geringsten Hinweis darauf ... dass er … ein schlechtes Gewissen hatte … [60]

Lüdemann behauptet, dass in Römer 7,7-25 Paulus‘ vorchristliches, von Gewissensnöten geprägtes Leben unter dem jüdischen Gesetz anklingt. [61] Hierzu muss gesagt werden, dass die autobiografische Deutung von Römer 7 als Vergleich der vorchristlichen und der christlichen Existenz des Paulus heute von fast allen Exegeten und Kommentatoren abgelehnt wird. [62] Dass Paulus hier in der ersten Person und in der Vergangenheitsform spricht, ist kein Zeichen für eine autobiografische Reflexion, sondern das „Ich“ ist ein allgemeines, den Leser einbeziehendes Ich (vgl. Römer 3,7; 1. Korinther 6,15; 10,29-30; 13,1-3; Gal 2,18-19), und die Vergangenheitsform bei den Verben verbindet die Ausführungen des Paulus mit der zuvor beschriebenen Geschichte der Sünde in der Welt (Röm 5,12-14). Hier einen vorchristlichen und einen christlichen Paulus zu postulieren, heißt eine falsche Dichotomie in Römer 7 einführen, denn der Übergang zum Präsens in Vers 14 wird nicht von einer Veränderung in der Einstellung des Sprechers begleitet (vgl. V. 25). Und so haben, wie Kessler schreibt, seit den späten 1920-er Jahren „fast alle Ausleger“ von Römer 7 die von Lüdemann vertretene autobiografische Interpretation aufgegeben. [63] Sobald wir uns in den Paulusbriefen echt autobiografischen Abschnitten über sein vorchristliches Leben zuwenden (vgl. Philipper 3,4-14), erhalten wir, wie schon gesagt, ein ganz anderes Bild.

Lüdemanns Vorgehen an dieser Stelle ist klassisch. Auf den Einwand, dass das eigene Zeugnis des Paulus doch darauf schließen lässt, dass er als Jude zufrieden und ohne Gewissensqualen lebte, erwidert er, dass Paulus‘ innerer Konflikt eben unbewusst war. [64] Dieser typisch freudianische Schachzug macht Lüdemanns Psychoanalyse unfalsifizierbar, da jegliche Fakten, die ihr entgegenstehen, flugs im Sinne der Hypothese umgedeutet werden, womit diese sich letztlich als steril erweist.

Sowohl aufgrund der mangelnden Daten als auch wegen der falschen Deutung des Erlebens des Petrus und Paulus erweist sich Lüdemanns Versuch einer Psychobiografie also als wenig plausibel.

Zweitens kann Lüdemanns Behauptung, die Erscheinungen des Auferstandenen seien bloße subjektive Visionserlebnisse gewesen, nicht überzeugen. Wieder ist hier ein Zweifaches anzumerken:

a) Lüdemanns Behauptung gründet auf der nicht plausiblen Annahme, dass das, was Paulus vor Damaskus erlebte, paradigmatisch für alle anderen Erscheinungen des Auferstandenen ist. Lüdemann gibt offen zu, dass seine Deutung der nachtodlichen Erscheinungen Jesu als halluzinatorische Visionen zur Voraussetzung hat, dass das, was Paulus vor Damaskus erlebte, das Gleiche war wie das, was alle übrigen Jünger erlebten. [65] Damit aber ist Lüdemanns Hypothese wie eine auf dem Kopf stehende Pyramide, denn wenn diese Grundannahme nicht stimmt, gibt es keinen Grund dafür, zu glauben, dass die Jünger bloße Visionen erlebten, und die ganze Theorie fällt in sich zusammen. Aber es gibt keine Rechtfertigung für diese Grundannahme. John Dominic Crossan bemerkt völlig zu Recht: „Paulus legt in 1. Korinther 15,1-11 Wert darauf, dass seine Erfahrung dem, was die vor ihm berufenen Apostel erfuhren, gleichwertig ist. Aber Gleichwertigkeit bedingt nicht Gleichartigkeit. Allen wurde Jesus offenbar, aber nicht auf die gleiche Weise.“ [66] Überraschenderweise räumt Lüdemann selber ein, dass es Paulus in 1. Korinther 15 „nicht darum [ging], genau darzulegen, wie Jesus starb und wie seine Auferstehungserscheinungen aussahen. Wichtig war für Paulus … offenbar nur, dass sie stattgefunden hatten.“ [67] Aber wenn wir einmal erkannt haben, dass es Paulus in 1. Korinther 15,3-8 um die bloße Tatsache der Erscheinungen des Auferstandenen geht und nicht um ihre Art und Weise, und dass er in seinem historischen Kontext starke Motive dafür hatte, seinen Namen der Liste der Zeugen hinzuzufügen, gibt es überhaupt keinen Grund für die Annahme, dass sein Zeugnis impliziert, dass alle nachtodlichen Erscheinungen Jesu so waren wie Paulus‘ Begegnung mit dem auferstandenen und in den Himmel gefahrenen Jesus. Fällt aber diese Annahme hin, gibt es schlicht keinen Grund dafür, alle diese Erscheinungserlebnisse als Visionen zu betrachten.

b) Das Neue Testament unterscheidet durchgehend zwischen Christusvisionen und Erscheinungen des auferstandenen Christus. Paulus war mit „Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn“ wohlvertraut (2. Korinther 12,1), aber er setzte, wie das ganze übrige Neue Testament auch, solche Visionen nicht mit Erscheinungen des Auferstandenen gleich. Diese betrafen nur einen begrenzten Kreis von Zeugen ganz zu Beginn der christlichen Bewegung und hörten bald auf; Paulus war der letzte dieser Zeugen (1. Korinther 15,8). Doch Visionen des erhöhten Herrn finden wir die ganze Kirchengeschichte hindurch, was die Frage aufwirft: Was ist der Unterschied zwischen einer Christusvision und einer Erscheinung des auferstandenen Christus? Die Antwort des Neue Testaments ist meines Erachtens klar: Eine Erscheinung des Auferstandenen war ein extramentales Ereignis, während eine Vision sich im Bewusstsein des Empfängers abspielte. Und etwas eine Vision zu nennen, muss nicht bedeuten, dass es sich um eine Illusion handelt.

In der Bibelforschung hat es sich als notwendig erwiesen, zwischen, wie es manchmal formuliert wird, „objektiven“ und „subjektiven Visionen“ zu unterscheiden. Eine objektive (oder, weniger missverständlich formuliert, echte) Vision ist eine Vision, die von Gott verursacht wird, eine subjektive (oder nicht echte) Vision ist das Produkt der Phantasie dessen, der sie erlebt. Bei einer echten Vision sieht der Betreffende eine objektive Realität, ohne den normalen Weg der Sinneswahrnehmung zu gehen; eine subjektive Vision hat kein extramentales Korrelat und ist mithin halluzinatorisch. Visionen des erhöhten Christus, wie die des Stephanus (Apostelgeschichte 7,55-56), Paulus (Apostelgeschichte 22,17-21) oder Johannes (Offenbarung 1,10-18), wurden nicht als halluzinatorisch betrachtet. Sie zählten aber auch nicht als Erscheinungen des Auferstandenen. Warum nicht? Weil es bei diesen Erscheinungen im Gegensatz zu den Visionen um eine extramentale Realität ging, die jeder, der mit dabei war, erleben konnte. Selbst das Erlebnis des Paulus vor Damaskus, das halbvisionär war, könnte man als echte Erscheinung zählen, weil auch die Begleiter des Paulus das Licht sahen bzw. die Stimme hörten (auch wenn sie sie nicht als Christusoffenbarung erlebten). Diese Antwort auf die Frage, was der Unterschied zwischen einer Jesusvision und einer Jesuserscheinung ist, scheint im ganzen Neuen Testament die gleiche zu sein. Und es ist eine typisch jüdische Antwort: Die Rabbis unterschieden ganz ähnlich zwischen einer Engelsvision und einer Engelserscheinung; bei einer Erscheinung waren z.B. Speisen, die der Engel zu sich genommen hatte, dann, wenn er wieder weg war, ebenfalls nicht mehr da.

Wenn dies stimmt, dann ist dies ein schwerer Schlag gegen die Behauptung, die nachtodlichen Erscheinungen Christi seien bloße Visionen gewesen, denn diese Behauptung macht die das ganze Neue Testament durchziehende Unterscheidung zwischen Christusvision und Erscheinung des Auferstandenen zu etwas, das man nicht erklären kann. Lüdemann räumt ein, dass die meisten Exegeten diese Unterscheidung erkennen, aber da er sie nicht erklären kann, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sie zu verneinen.

Fazit: Lüdemanns These, die Erscheinungen des auferstandenen Jesus seien in Wirklichkeit Visionen gewesen, ist gleich doppelt unplausibel – in ihrer Annahme, dass alle Erscheinungen nach dem Modell des Paulus verliefen, und in ihrem Unvermögen, der neutestamentlichen Unterscheidung zwischen einer Jesuserscheinung und einer Jesusvision gerecht zu werden. Wir haben ferner gesehen, dass Lüdemanns Psychoanalyse des Petrus und Paulus in verschiedener Hinsicht wenig plausibel ist. Die Halluzinationshypothese steht im Lichte des Plausibilitätskriteriums also denkbar schlecht da.

Kriterium 4: Übereinstimmung mit allgemein anerkannten Annahmen. Nach diesem Kriterium ist diejenige Hypothese die beste, bei der wir die wenigsten Annahmen bzw. Überzeugungen, die auf dem entsprechenden Gebiet als Konsens gelten, aufgeben müssen. Doch wenn wir Lüdemanns Hypothese folgten, müssten wir eine ganze Reihe von Annahmen aufgeben, von denen die meisten Neutestamentler ausgehen, z.B.:

i) Jesus erhielt ein ehrenvolles Begräbnis (durch Josef von Arimathäa).

ii) Jesu Grab wurde von mehreren seiner Jüngerinnen leer vorgefunden.

iii) Die Psychoanalyse historischer Persönlichkeiten funktioniert nicht.

iv) Paulus war mit seinem Leben unter dem jüdischen Gesetz im Wesentlichen zufrieden.

v) Die Erscheinung Jesu vor über 500 Personen war etwas anderes als das Pfingstereignis.

vi) Das Neue Testament unterscheidet zwischen Christusvisionen und Erscheinungen des Auferstandenen.

All diese Aussagen sind heute unter Neutestamentlern allgemein akzeptiert – aber um Lüdemanns Hypothese zu übernehmen, müssten wir sie alle verneinen. Dies spricht gegen die Halluzinationshypothese (oder zumindest gegen die Lüdemann’sche Version).

Krierium 5: Ad-hoc-Gehalt. Eine Theorie wird in dem Maße ad hoc (improvisiert, gekünstelt), wie sie zusätzliche Annahmen erfordert, die man speziell für sie vornimmt, damit sie funktionieren kann. Lüdemanns Halluzinationshypothese erfordert mehrere solche Annahmen:

i) Die Jünger flohen noch an dem Abend, wo Jesus verhaftet wurde, zurück nach Galiläa. Lüdemann benötigt diese Annahme, um die Jünger vom Grab Jesu zu entfernen, weil es sonst schwierig wird, zu erklären, warum sie das Grab nicht inspizierten. Doch für diese Annahme gibt es keinerlei Belege, ja sie ist extrem unplausibel.

ii) Petrus hatte solche Gewissensqualen, dass er eine Halluzination von Jesus projizierte. Wir erfahren aus den Quellen nichts über Petrus‘ innere Befindlichkeit, nachdem er Jesus verleugnet hatte. Wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass Petrus‘ Hauptproblem nach der Hinrichtung Jesu sein eigenes Versagen war und nicht das scheinbar völlige Scheitern von Jesu messianischen Ansprüchen.

iii) Die übrigen Jünger ließen sich von Petrus‘ Erlebnis so mitreißen, dass auch sie Jesushalluzinationen bekamen. Wir haben keine Belege dafür, dass diese Jünger, die wahrscheinlich nicht den Schuldkomplex des Petrus hatten, die nötige innere Verfassung für Halluzinationen eines auferstandenen Jesus hatten. Wir sollen dies einfach annehmen.

iv) Paulus befand sich in einem unbewussten Kampf mit dem jüdischen Gesetz und fühlte sich insgeheim vom Christentum angezogen. Das „unbewusst“ und „insgeheim“ bedeutet, dass ein Beleg gar nicht möglich ist. Diese Annahme ist total ad hoc.

Dies sind nur einige der speziellen Annahmen, die man unterschreiben muss, um Lüdemanns Halluzinationshypothese zu folgen, was ihr einen gekünstelten Anstrich gibt.

Kriterium 6: Überlegenheit gegenüber Alternativhypothesen. Die Halluzinationstheorie ist in der deutschen Theologie ein alter Hut, der vor allem auf Emmanuel Hirsch (1920er Jahre) zurückgeht, und die meisten Kritiker hat sie nicht überzeugen können. Klaus Berger moniert, dass Lüdemanns Buch fast ganz aus aufgewärmten alten Positionen besteht, die über 50 Jahre lang die Bultmann-Schule dominierten. [68] Ich finde, wir haben allen Grund zu der Feststellung, dass es der Halluzinationshypothese nicht gelungen ist, ihre Überlegenheit gegenüber anderen Theorien (einschließlich der Auferstehungshypothese) zu demonstrieren.

Die Beurteilung historischer Hypothesen ist oft schwierig, weil eine Hypothese in Bezug auf manche Kriterien stark sein kann, aber bei anderen schwach, und zur Kunst des Historikers gehört es, diese relativen Stärken und Schwächen abzuwägen. Doch die Halluzinationshypothese gibt bei allen vier Testkriterien für Hypothesen ein schwaches Bild ab. Ihr Erklärungsbereich ist zu schmal, ihre Erklärungskraft reicht nicht, um, die Phänomene, die sie erklären soll, wirklich zu erklären, sie ist in wichtigen Punkten nicht plausibel, sie widerspricht einer ganzen Reihe allgemein anerkannter Annahmen, sie ist ad hoc konstruiert und sie ist anderen Theorien in Bezug auf die vier Kriterien definitiv nicht überlegen. Womit die einzige Hoffnung für die Anhänger der Halluzinationshypothese darin besteht, dass die Auferstehungshypothese in Bezug auf diese Kriterien noch jämmerlicher dasteht, was die Halluzinationshypothese zum Sieger nach Punkten machen würde.

Die Auferstehungshypothese

Die Auferstehungshypothese besagt, dass „Gott Jesus von den Toten auferweckt hat.“ Die meisten Neutestamentler stimmen der oben skizzierten induktiven Datenbasis zu, doch viele, wenn nicht sogar die meisten von ihnen, haben große Bedenken gegenüber der Auferstehungshypothese, wie ich sie formuliert habe, weil sie als Historiker glauben, dass es ihnen nicht erlaubt ist, übernatürliche Erklärungen für die Fakten anzubieten. Das stört mich nicht im Geringsten. Denn erstens ist die Frage des methodischen Naturalismus (in der Geschichte wie in der Wissenschaft) eine philosophische Frage, die nicht in der Kompetenz des Neutestamentlers liegt, und es gibt eine ganze Reihe exzellenter Philosophen, die den methodischen Naturalismus für unbegründet halten, vor allem, wenn man Theist ist. [69] Und zweitens bin ich, wenn es denn nötig ist, gerne bereit, zu konzedieren, dass meine Hypothese nicht eine Schlussfolgerung von der „strikt historischen“ Sorte ist. Wir können sie, wenn wir wollen, eine theologische Hypothese nennen. Selbst wenn der Historiker qua Historiker aufgrund irgendwelcher methodologischer Zwänge diese Folgerung nicht ziehen kann, bedeutet dies nicht, dass wir (einschließlich des Historikers in seiner Freizeit) als Männer und Frauen, die auf der Suche nach der Wahrheit über das Leben und die Welt sind, sie nicht ziehen können. Ich bringe die theologische Hypothese als die beste Erklärung der Fakten vor und bin bereit, sie anhand der gleichen Kriterien zu prüfen, die auf alle historischen Hypothesen Anwendung finden. Und mir scheint, dass die Auferstehungshypothese den Test von McCullaghs Kriterien besteht.

  1. Sie hat einen großen Erklärungsbereich. Sie erklärt, warum das Grab leer war, warum die Jünger die Erscheinungen des Auferstandenen sahen und warum der christliche Glaube geboren wurde.
  2. Sie hat große Erklärungskraft. Sie erklärt, warum der Leichnam Jesu verschwunden war, warum wiederholt Menschen Jesus nach seiner öffentlichen Hinrichtung lebendig sahen, usw. und so fort.
  3. Sie ist plausibel. Im historischen Kontext des einmaligen Lebens und der beispiellosen Selbstaussagen Jesu ist die Auferstehung nichts anderes als die göttliche Bestätigung dieser Aussagen.
  4. Sie ist nicht besonders ad hoc oder gekünstelt. Sie erfordert nur eine einzige Zusatzhypothese: dass Gott existiert. Und selbst diese Hypothese ist nicht als Zusatzhypothese nötig, wenn man sowieso an die Existenz Gottes glaubt, wie Lüdemann und ich dies tun.
  5. Sie steht in Übereinstimmung mit allgemein anerkannten Annahmen. Die Hypothese „Gott hat Jesus von den Toten auferweckt“ steht nicht in Widerspruch zu dem allgemeinen Glauben, dass normalerweise niemand von den Toten aufersteht. Diesen Glauben unterschreibt der Christ genauso uneingeschränkt wie die Hypothese, dass Gott Jesus von den Toten auferweckte.
  6. Sie ist den Alternativhypothesen, was die Kriterien 1–5 betrifft, um Längen überlegen. Im Laufe der Geschichte sind die verschiedensten alternativen Erklärungen der Fakten vorgebracht worden, u. a. die Verschwörungstheorie, die Scheintodtheorie, die Halluzinationstheorie usw. Diese Hypothesen werden von den heutigen Fachgelehrten fast einmütig verworfen. Es gibt keine einzige naturalistische Hypothese, die eine größere Zahl von Anhängern gefunden hätte.

Die Auferstehungshypothese schlägt sich also sehr gut, wenn man sie an den für das Testen historischer Beschreibungen üblichen Kriterien misst. Ihre größte Schwäche ist noch, dass sie ein Stück weit ad hoc ist, insofern sie die Existenz Gottes voraussetzt, aber das ist für die von uns, die Theisten sind, kein unüberwindbares Problem.

Warum also, so kann man fragen, lehnt Lüdemann die Auferstehungshypothese ab? Die Antwort ist sehr einfach: Die Auferstehung war ein Wunder, und Wunder sind für Lüdemann nicht erlaubt. Lüdemann sagt klipp und klar: „Die historische Kritik … rechnet nicht mit einem Eingreifen Gottes in der Historie.“ [70] Für Lüdemann kann die Auferstehung nicht historisch sein; sie fliegt zum Fenster hinaus, bevor wir uns auch nur an den Tisch setzen, um uns die Fakten anzusehen.

Mir scheint, dass das Problem, um das es hier geht, am besten als Uneinigkeit darüber beschrieben werden kann, was für Arten von Erklärungen überhaupt als Optionen für die beste Erklärung der Fakten infrage kommen. In dem als Erarbeitung der besten Erklärung durch Inferenz bekannten Modell der induktiven Argumentation stellen wir bei der Erklärung eines Ensembles von Daten zunächst einen Pool von Optionen zusammen und greifen dann aus diesem Pool aufgrund bestimmter Kriterien diejenige Erklärung heraus, die (so sie denn wahr ist) die Daten am besten erklärt. [71] Aber der wissenschaftliche Naturalist ist nicht bereit, übernatürliche Erklärungen auch nur in den Options-Pool aufzunehmen. Dagegen bin ich offen für wissenschaftliche naturalistische Erklärungen, in dem Sinne, dass ich sie in den Options-Pool aufnehme, denn ich prüfe diese Erklärungen anhand der Standardkriterien für eine beste Erklärung und lehne sie nicht von vornherein ab. Doch Lüdemann ist so davon überzeugt, dass übernatürliche Erklärungen nicht stimmen können, dass er sich berechtigt fühlt, sie von vornherein auszuschließen; sie sind noch nicht einmal eine Option.

Aber wenn nur naturalistische Erklärungen überhaupt in den Options-Pool aufgenommen werden dürfen, wird die Behauptung bzw. der Beweis, dass die Halluzinationshypothese die beste ist, natürlich nichtssagend. Ich bin sofort bereit, zuzugeben, dass unter den angebotenen naturalistischen Erklärungen die Halluzinationshypothese die beste ist. Aber die Frage ist natürlich nicht, ob die Halluzinationshypothese die beste naturalistische Erklärung ist, sondern ob sie wahr ist. Es geht uns um die Wahrheit und nicht um die rechte (ob nun naturalistische oder übernaturalistische) Lehre. Wenn Lüdemann sichergehen will, dass er nicht die richtige Theorie von vornherein ausschließt, braucht er wirklich gute Gründe, um den Options-Pool auf naturalistische Erklärungen zu begrenzen.

Was für eine Rechtfertigung gibt Lüdemann also für diese zentrale Präsupposition, dass Wunder nicht zulässig sind? Alles, was er bietet, sind zwei Ein-Satz-Anspielungen auf David Hume und Immanuel Kant. [72] Er schreibt: „Bereits David Hume hat gezeigt, dass ein Wunder so definiert wird, dass wir nicht erkennen können, wie ein Zeugnis es bestätigen könnte.“ [73] Und weiter: Das Verständnis der Auferstehung als Wunder setzt „einen philosophischen Realismus“ voraus, „der seit Kant nicht mehr haltbar ist.“ [74] Die Art, wie Lüdemann hier ein paar Namen berühmter Philosophen in seine Ausführungen hinein streut, ist leider nur zu typisch für viele Theologen. Thomas Morris, selber Philosoph, kommentiert in seinem Buch Philosophy and the Christian Faith:

Besonders interessant an den Verweisen auf Kant und Hume, die Theologen bringen, ist, dass sie meistens den Philosophen bloß allgemein erwähnen …, aber nur selten, wenn überhaupt einmal, hören wir, was genau die Argumente dieses Philosophen sind, die der behaupteten Widerlegung zugrunde liegen sollen. … Ehrlich gesagt, ich habe in den Schriften der heutigen Theologen noch keine einzige Erklärung auch nur eines einzigen Arguments von Hume oder Kant (oder irgendeiner anderen historischen Persönlichkeit) gefunden, das auch nur ansatzweise … die historische christliche Lehre oder … den theologischen Realismus … widerlegen würde. [75]

Humes Argumentation gegen Wundert wurde bereits im 18. Jahrhundert von Paley, Less und Campbell widerlegt, und auch die meisten modernen Philosophen betrachten sie als falsch, darunter solche prominenten Wissenschaftsphilosophen wie Richard Swinburne und John Earman und Analytische Philosophen wie George Mavrodes und William Alston. [76] Selbst der atheistische Philosoph und Hume-Forscher Antony Flew räumt ein, dass Humes Argument fehlerhaft ist. [77] Was den philosophischen Realismus betrifft, so ist er unter den heutigen Philosophen die dominierende Sicht, zumindest in der analytischen Tradition. Wenn Lüdemann also die Historizität von Wundern ablehnt und sich dabei auf Hume und Kant beruft, hat er eine Menge zu erklären, und wenn ihm dies nicht gelingt, basiert seine Ablehnung der Auferstehungshypothese auf einer Präsupposition, die unbegründet in der Luft hängt. Man lasse diese Präsupposition weg, und es wird sehr schwierig, zu leugnen, dass die Auferstehung Jesu die beste Erklärung für die Fakten ist.

Schluss

Fassen wir zusammen: Wir haben zunächst gesehen, dass eine adäquate historische Hypothese über das nachtodliche Ergehen Jesu vier feststehende Tatsachen erklären muss: das ehrenvolle Begräbnis Jesu, die Entdeckung seines leeren Grabes, seine nachtodlichen Erscheinungen und den Ursprung des Glaubens der Jünger an seine Auferstehung. Zweitens: Wenn man die bei der Prüfung historischer Beschreibungen üblichen Standardkriterien auf Lüdemanns Halluzinationshypothese anwendet, zeigt sich, dass sie einen schmalen Erklärungsbereich und eine schwache Erklärungskraft hat, nicht plausibel und in einem nicht vertretbaren Maße ad hoc ist, etlichen allgemein anerkannten Annahmen zuwiderläuft und Alternativhypothesen nicht ausstechen kann. Dagegen schlägt sich die Auferstehungshypothese, wenn man sie nach denselben Kriterien untersucht, sehr gut, und wir sollten sie mithin als die bessere Erklärung der Fakten betrachten.

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/visions-of-jesus-a-critical-assessment-of-gerd-ludemanns

  • [1]

    William Lane Craig, The Historical Argument for the Resurrection of Jesus during the Deist Controversy, 2nd ed., Texts and Studies in Religion 23 (Lewiston, N.Y.: Edwin Mellen, 2001); ders., Assessing the New Testament Evidence for the Historicity of the Resurrection of Jesus, 2nd ed., Studies in the Bible and Early Christianity 16 (Lewiston, N.Y.: Edwin Mellen, 2001).

  • [2]

    Gerd Lüdemann, Alf Özen, Was mit Jesus wirklich geschah. Die Auferstehung historisch betrachtet (Stuttgart: Radius-Verlag, 1995), S. 9.

  • [3]

    Ebd., S. 10.

  • [4]

    Gerd Lüdemann, „Zwischen Karfreitag und Ostern“, in: Hansjürgen Verweyen (Hg.)., Osterglaube ohne Auferstehung? Diskussion mit Gerd Lüdemann (Freiburg i.Br.: Herder, 2. Aufl. 1995), S. 21.

  • [5]

    Ebd., S. 27. Vgl. ders., „Für die Jünger war sie wichtig“, Evangelische Zeitung, 2. Februar 1994; vgl. ders., Was mit Jesus wirklich geschah, S. 5.

  • [6]

    Gerd Lüdemann, Der große Betrug (Lüneburg: zu Klampen, 1998); ders., Jesus after 2000 Years (London: SCM Press, 2000); ders., Die Auferweckung Jesu von den Toten. Ursprung und Geschichte einer Selbsttäuschung (Lüneburg: zu Klampen, 2002), S. 166.

  • [7]

    So wörtlich drückt Lüdemann es nicht aus; er sagt, dass jeder, der hinter den Osterereignissen etwas Übernatürliches oder Wunderbares sieht, doch bitte zugeben sollte, dass er ein Fundamentalist ist. (Lüdemann, „Zwischen Karfreitag und Ostern“, S. 7; s. auch Gerd Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie (Stuttgart: Radius-Verlag, 1994) >

  • [8]

    Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie, S. 57f.

  • [9]

    Die Bibelzitate folgen, wie in diesem ganzen Artikel, der Lutherübersetzung 2017 (Anm. d. Übers.).

  • [10]

    Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie, S. 51.

  • [11]

    Siehe dazu weiter: William Lane Craig, „The Disciples‘ Inspection of the Empty Tomb (Luke 24,12.24; John 20,1-10)”, in: A. Denaux (ed.), John and the Synoptics, Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium 101 (Louvain: University Press, 1992), S. 614-619.

  • [12]

    Ihre Unterschiede gegenüber Markus können daher nicht bloße redaktionelle Änderungen sein. Ein Beispiel für eine ungefähre Formulierungsübereinstimmung mit Markus ist Matthäus 27,60 („sein eigenes neues Grab, das er in einen Felsen hatte hauen lassen“; vgl. Markus 15,46: „in ein Grab, das war in einen Felsen gehauen“). Zu den Auslassungen vgl. die Befragung des Centurios durch Pilatus (Markus 15,44-45). Zu den übereinstimmenden Abweichungen von Markus vgl. Matthäus 27,58 = Lukas 23,52: „Der ging zu Pilatus und bat um den Leib Jesu.“ Siehe weiter: Ernst Lohmeyer, Das Evangelium des Matthäus, 4. Aufl. hg. von W. Schmauch, Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1967), S. 398f., 404, 408; Walter Grundmann, Das Evangelium nach Lukas, 8. Aufl., Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament Bd. 3 (Berlin: Ev. Verlagsanstalt, 1978), S. 436.

  • [13]

    Marcus J. Borg und N.T. Wright, The Meaning of Jesus (San Francisco: Harper Collins, 1999), S. 12. Borg führt aus, dass im Neuen Testament die meisten Fälle von Mehrfacherwähnung in die Kategorie „zweifache Erwähnung“ fallen; eine dreifache oder noch häufigere Erwähnung ist relativ selten. Umso bemerkenswerter ist es, dass das ehrenvolle Begräbnis Jesu in der von Paulus zitierten Formel, in Markus‘ Passionsgeschichtenquelle, in den Predigten in der Apostelgeschichte, in den Quellen von Matthäus und Lukas sowie bei Johannes vorkommt.

  • [14]

    Raymond E. Brown, The Death of the Messiah, 2 Bde. (Garden City, N.Y.: Doubleday, 1994), Bd. 2, S. 1240f.

  • [15]

    Lüdemann, „Zwischen Karfreitag und Ostern“, S. 22, Fußnote 32.

  • [16]

    Ingo Broer, „Der Glaube an die Auferstehung Jesu und das geschichtliche Verständnis des Glaubens der Neuzeit“, in: Hansjürgen Verweyen (Hg.)., Osterglaube ohne Auferstehung? Diskussion mit Gerd Lüdemann (Freiburg i.Br.: Herder, 1995), S.61.

  • [17]

    Siehe S.G. Wilson, „The Jews and the Death of Jesus in Acts”, in: Peter Richardson (ed.), AntiJudaism in Early Christianity, vol. 1: Paul and the Gospels, Studies in Christianity and Judaism 2 (Waterloo, Ontario: Wilfrid Laurier Press, 1986), S. 157. Vgl. Lloyd Gaston, “AntiJudaism and the Passion Narrative in Luke and Acts”, in: Peter Richardson (ed.), AntiJudaism in Early Christianity, vol. 1: Paul and the Gospels, S. 129.

  • [18]

    John A.T. Robinson, The Human Face of God (Philadelphia: Westminster, 1973), S. 131.

  • [19]

    Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie, S. 224, Fußnote 205.

  • [20]

    Ebd., S. 58.

  • [21]

    Siehe William Lane Craig, Assessing the New Testament Evidence for the Historicity of the Resurrection of Jesus, S. xxx.

  • [22]

    Gerd Lüdemann, „Die Auferstehung Jesu“, in: Alexander Bommarius (Hg.), Fand die Auferstehung wirklich statt? Eine Diskussion mit Gerd Lüdemann (Düsseldorf: Parerga, 1995), S. 21.

  • [23]

    Siehe Edward Lynn Bode, The First Easter Morning, Analecta Biblica 45 (Rom: Biblical Institute Press, 1970), S. 37-39.

  • [24]

    Lüdemann, „Die Auferstehung Jesu“, S. 18f.; ders., „Zwischen Karfreitag und Ostern“, S. 22. Er behauptet auch (meines Erachtens widersprüchlich), dass das vierfache hoti in der Bekenntnisformel disparate Traditionen anzeigt. Für Gegenargumente siehe mein Assessing the New Testament Evidence, S. xxx.

  • [25]

    Lüdemann, „Zwischen Karfreitag und Ostern“, S. 24, Fußnote 37 führt Jub 23,3 als Beleg für eine nichtleibliche Vorstellung von der Auferstehung im Judentum an, doch dieser Vers, der sagt, dass die Gebeine der Verstorbenen in der Erde ruhen, während ihr Geist bei Gott ist, ist schlicht ein Ausdruck des für das hellenistische Judentum typischen Leib-Seele-Dualismus und bekräftigt im Grunde die Vorstellung, dass die Gebeine der eigentliche Gegenstand der Auferstehung sind.

  • [26]

    Schwager berichtet, dass im Gegensatz zu der Legendenhypothese sich heute eine positive Sicht der Rolle der Frauen bei der Kreuzigung und am Ostermorgen durchgesetzt hat. Vgl. Raymund Schwager, „Die heutige Theologie und das leere Grab“, Zeitschrift für Katholische Theologie 115 (1993), S. 436.

  • [27]

    Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie, S. 141.

  • [28]

    Siehe dazu meine Ausführungen in: William Lane Craig, “The Guard at the Tomb”, New Testament Studies 30 (1984), S. 279f.

  • [29]

    John P. Meier, A Marginal Jew, 3 vols., vol. 2: Mentor, Message, and Miracles, Anchor Bible Reference Library (New York: Doubleday, 1994), S. 150.

  • [30]

    Jacob Kremer, Die Osterevangelien – Geschichten um Geschichte (Stuttgart: Katholisches Bibelwerk, 1977), S. 49f. Vgl. sein neueres Urteil: „… neigen die meisten Exegeten dazu, den Grabeserzählungen einen hist. Kern zu attestieren, wie auch immer dieser im Einzelnen näher zu bestimmen sein mag.“ (Lexikon für Kirche und Theologie, Bd. 1, Freiburg, Basel, Rom, Wien: Herder, 1993, Sp. 1181, Artikel „Auferstehung Christi“ von Jacob Kremer.)

  • [31]

    Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie, S. 138.

  • [32]

    Gerd Lüdemann, „Die Auferstehung Jesu“, in: Alexander Bommarius (Hg.), Fand die Auferstehung wirklich statt? Eine Diskussion mit Gerd Lüdemann, S. 21.

  • [33]

    Klaus Berger, „Ostern fällt nicht aus! Zum Streit über das ‚kritischste Buch über die Auferstehung‘“, idea Spektrum 13 (1994), S. 21. Vgl. ders., „Die Auferstehung Jesu Christi“, in: Alexander Bommarius (Hg.), Fand die Auferstehung wirklich statt? Eine Diskussion mit Gerd Lüdemann (Düsseldorf: Parerga, 1995), S. 48.

  • [34]

    Lüdemann, „Die Auferstehung Jesu“, S. 19.

  • [35]

    Hans Freiherr von Campenhausen, Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab (4. Auflage, Heidelberg: Carl Winter, Universitätsverlag 1977).

  • [36]

    Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie, S. 133.

  • [37]

    Lüdemann, „Zwischen Karfreitag und Ostern“, S. 23. <>

  • [38]

    Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie, S. 138.

  • [39]

    Wolfgang Trilling, Fragen zur Geschichtlichkeit Jesu (Düsseldorf: Patmos-Verlag, 1966), S. 153f. In Bezug auf die Wunder Jesu schreibt Trilling: „Wir sind davon überzeugt und halten es für geschichtlich gesichert, dass Jesus überhaupt Wunder getan hat. … Die Wunderberichte nehmen in den Evangelien einen so breiten Raum ein, dass sie unmöglich alle nachträglich erfunden oder auf Jesus übertragen worden sein können.“ (Ebd., S. 102) Die Tatsache, dass Wundertaten zu dem historischen Jesus dazugehören, wird heute nicht mehr bestritten.

  • [40]

    Lüdemann/ Özen, Was mit Jesus wirklich geschah, S. 74.

  • [41]

    N. T. Wright, Videoaufzeichnung eines Vortrags am Asbury Theological Seminary, November 1999.

  • [42]

    Joachim Jeremias, „Die älteste Schicht der Osterüberlieferungen“, in: Édouard Dhanis (ed.), Resurrexit (Rom: Libreria Editrice Vaticana, 1974), S. 194. [Übers. aus dem Englischen Dr. F. Lux]

  • [43]

    Lüdemann, „Zwischen Karfreitag und Ostern“, S. 27.

  • [44]

    Luke Timothy Johnson, The Real Jesus (San Francisco: Harper San Francisco, 1996), S. 136.

  • [45]

    C. Behan McCullagh, Justifying Historical Descriptions (Cambridge: Cambridge University Press, 1984), S. 19.

  • [46]

    Ich benutze das Wort „Halluzination“ hier nicht in einem abwertenden Sinn. Eine Halluzination ist vielmehr eine Vision, die nicht den Tatsachen entspricht. Sie ist eine Erscheinung, die vom Empfänger wahrgenommen wird, aber kein außerhalb seiner Vorstellung liegendes Korrelat hat und eine Projektion seines eigenen Gehirns ist. Sie ist mithin rein subjektiv und entspricht keiner Realität. Genau so sieht Lüdemann die Erscheinungen des Auferstandenen. Eine Vision, so erklärt er, ist „das visuelle Erscheinen von Personen, Dingen oder Szenen, die keine äußere Wirklichkeit haben“ (Lüdemann, „Die Auferstehung Jesu“, S. 22). Visionen und Halluzinationen gehören für ihn beide zum gleichen Bereich, nämlich „dem Bereich dessen …, was wir selbst hervorbringen, was letztlich keinen Anhalt an der objektiven Wirklichkeit hat …“ (ebd., S. 23). Sie sind „Produkt der Vorstellungskraft und Phantasie“ (Lüdemann, „Zwischen Karfreitag und Ostern“, S. 28). Ich habe den Verdacht, dass dann, wenn Lüdemann lieber den Ausdruck „Visionen“ als „Halluzinationen“ benutzt, er damit lediglich die Absicht verfolgt, seine Hypothese verdaulicher für fromme Gemüter zu machen. Denn eine subjektive Vision ist nichts anderes als eine Halluzination; und wenn nicht, dann hätten wir eine Erklärung verdient, was der Unterschied zwischen einer subjektiven Vision und einer Halluzination ist.

  • [47]

    Lüdemann, „Die Auferstehung Jesu“, S. 25.

  • [48]

    Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie, S. 193.

  • [49]

    Lüdemann, „Die Auferstehung Jesu“, S. 26.

  • [50]

    Ebd., S. 26f.

  • [51]

    Siehe aber Michael Goulder, „The Baseless Fabric of a Vision”, in: G. D’Costa (ed.), Resurrection Reconsidered (Oxford: One World, 1996), S. 48-61, der eine Reihe interessanter Fälle von Massenwahnvorstellungen aufführt, um zu erklären, wie das Halluzinationserlebnis des Petrus sich in einer Reihe von Sekundärvisionen hätte fortsetzen können. Aber an Goulders Katalog fällt auf, dass keiner seiner Fälle von kollektivem Wahn (z.B. Sichtungen von Ufos oder vom Bigfoot ein Beispiel für Halluzinationen oder subjektive Visionen ist. Niemand versucht, Bigfoot-Sichtungen dadurch zu erklären, dass die Leute eine subjektive Vision dieses Wesens hatten, sondern sie sahen in einiger Entfernung eine dunkle Gestalt durch die Büsche huschen, fanden große Fußspuren im Schnee oder haben das Ganze einfach erfunden. Und die „Ufos“ entpuppen sich typischerweise als Wetterballons, Kugelblitze, optische Täuschungen oder Lügen, aber nicht als Halluzinationen. Halluzinationen erfordern eine sehr spezielle psychobiologische Prädisposition und sind meist mit Geisteskrankheiten oder Drogenkonsum verbunden. Bei der Art von kollektivem Verhalten, das Goulder dokumentiert, handelt es sich nicht um Halluzinationen. Doch bei den Erscheinungen des auferstandenen Jesus herrscht allgemeine Übereinstimmung, dass die Jünger tatsächlich den Auferstandenen sahen. Es kann gut sein, dass es in der frühen Kirche auch Fälle von bloß eingebildeten Jesuserscheinungen gab, die den von Goulder beschriebenen Massenwahnfällen vergleichbar waren, aber niemand kommt auf die Idee, dass z.B. die Zwölf eine ferne Silhouette für Christus gehalten oder die Erscheinungen schlicht erfunden haben (und später bereit waren, sich als Zeugen ihrer Wahrheit foltern und töten zu lassen). Kurz: Es gibt in den von Goulder angeführten Fällen nichts, was den Erscheinungen des Auferstandenen vergleichbar wäre.

  • [52]

    Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie, S. 125.

  • [53]

    Ebd., S. 123.

  • [54]

    Hans Kessler, Sucht den Lebenden nicht bei den Toten (Neuausgabe, Würzburg: Echter, 1995), S. 425.

  • [55]

    Lexikon für Kirche und Theologie, Bd. 1, Sp. 1179, Artikel „Auferstehung Christi“ von Jacob Kremer.

  • [56]

    Lüdemann/ Özen, Was mit Jesus wirklich geschah, S. 65.

  • [57]

    Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie, S. 105.

  • [58]

    Martin Hengel und Anna Maria Schwemer, Paulus zwischen Damaskus und Antiochien. Die unbekannten Jahre des Apostels (Tübingen: Mohr Siebeck 2000), S. 68, Fußnote 246.

  • [59]

    Hans Grass, Ostergeschehen und Osterberichte (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2. Aufl. 1962), S. 233-243.

  • [60]

    Krister Stendahl, „Paulus unter Juden und Heiden“, in: ders., Der Jude Paulus und wir Heiden. Anfragen an das abendländische Christentum (München: Kaiser, 1978), S. 24f.

  • [61]

    Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie, S. 94f.

  • [62]

    Lüdemann selber merkt an, dass diese Deutung „heutzutage fast überall aufgegeben worden“ ist (ebd., S. 94).

  • [63]

    Kessler, Sucht den Lebenden nicht bei den Toten, S. 423.

  • [64]

    Lüdemann, „Zwischen Karfreitag und Ostern“, S. 39.

  • [65]

    Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie, S. 43: „Wer die hier gemachte Voraussetzung nicht teilt, wird dem Folgenden nichts abgewinnen können.“

  • [66]

    John Dominic Crossan, Jesus. Ein revolutionäres Leben (München: Beck, 1996), S. 217.

  • [67]

    Lüdemann/ Özen, Was mit Jesus wirklich geschah, S. 16.

  • [68]

    Klaus Berger, „Ostern fällt nicht aus!“, S. 21.

  • [69]

    Vgl. die sehr interessanten neueren Diskussionen über die Berechtigung des methodischen Naturalismus in der Wissenschaft, z.B.: Paul de Vries, "Naturalism in the Natural Sciences: A Christian Perspective," Christian Scholar’s Review 15 (1986), S. 388-96; Alvin Plantinga, Howard J. Van Till, Pattle Pun und Ernan McMullin, "Symposium: Evolution and the Bible," Christian Scholar’s Review 21 (1991), S. 8-109; William Hasker, "Evolution and Alvin Plantinga," Perspectives on Science and Christian Faith 44 (1992), S. 150-62; Alvin Plantinga, "On Rejecting The Theory of Common Ancestry: A Reply to Hasker," Perspectives on Science and Christian Faith 44 (1992), S. 258-63; Alvin Plantinga, "Methodological Naturalism," Referat auf dem Symposium "Knowing God, Christ, and Nature in the PostPositivistic Era," University of Notre Dame, 14.-17. April 1993; J. P. Moreland, "Theistic Science and Methodological Naturalism," in: J. P. Moreland (ed.), The Creation Hypothesis (Downer's Grove, Ill.: InterVarsity Press, 1994), S. 41-66; J. P. Moreland, Stephen C. Meyer und Richard H. Bube, "Conceptual Problems and the Scientific Status of Creation Science: a Discussion," Perspectives on Science and Christian Faith 46 (1994), S. 2-25.

  • [70]

    Lüdemann, „Die Auferstehung Jesu“, S. 16.

  • [71]

    Vgl. Peter Lipton, Inference to the Best Explanation (London: Routledge, 1991).

  • [72]

    So geht er auf Pannenbergs Kritik an der „Allmacht des Analogiegedankens in der historischen Forschung“ und an dem „Postulat der prinzipiellen Gleichartigkeit allen Geschehens“ nicht weiter ein (Lüdemann, „Zwischen Karfreitag und Ostern“, S. 20; vgl. Wolfhart Pannenberg, „Die Auferstehung Jesu: Historie und Theologie“, Zeitschrift für Katholische Theologie 91 [1994], S. 318-328).

  • [73]

    Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrungen, Theologie, S. 23.

  • [74]

    Ibd. [Zitat in Quelle nicht gefunden, daher direkt aus dem Englischen übersetzt – Anm. d. Übers.]

  • [75]

    Thomas V. Morris, Philosophy and the Christian Faith, University of Notre Dame Studies in the Philosophy of Religion 5 (Notre Dame, Ind.: University of Notre Dame Press, 1988), S. 34.

  • [76]

    Siehe George Campbell, Dissertation on Miracles (1762; rep. ed.: London: T. Tegg & Son, 1834); Gottfried Less, Wahrheit der christlichen Religion (Göttingen: G. L. Förster, 1776); William Paley, A View of the Evidences of Christianity, 2 vols., 5th ed. (London: R. Faulder, 1796; reprint ed.: Westmead, England: Gregg, 1970); Richard Swinburne, The Concept of Miracle (New York: Macmillan, 1970); John Earman, "Bayes, Hume, and Miracles," Faith and Philosophy 10 (1993), S. 293-310; George Mavrodes, "Miracles and the Laws of Nature," Faith and Philosophy 2 (1985), S. 333-346; William Alston, "God's Action in the World," in: Ders., Divine Nature and Human Language (Ithaca, N. Y.: Cornell University Press, 1989), S. 197-222.

  • [77]

    Antony Flew, in: Terry L. Miethe (ed.), Did Jesus Rise from the Dead (San Francisco: Harper & Row, 1987), S. 4.